Adrian Owen ist ein seltenes Kunststück gelungen: Als renommierter Wissenschaftler hat er über seine eigene Forschung ein fesselndes Buch geschrieben, das auch Leser ohne Vorkenntnisse gut verstehen. Seit rund 20 Jahren erforscht der Brite das Bewusstsein, die Aufmerksamkeit und das Gedächtnis von Menschen, die sich im Wachkoma befinden. Ein Unfall, ein Schlaganfall oder Drogenmissbrauch hat ihr Gehirn schwer geschädigt. Um zu sehen, welche Gehirnareale bei diesen Menschen aktiv sind, hat Owen Methoden wie die funktionelle Magnetresonanz-Tomografie angewandt.
In seinem Buch verknüpft der Hirnforscher geschickt verschiedene Erzählebenen miteinander: seine eigene Lebensgeschichte, ethische und juristische Überlegungen, Patientenschicksale sowie die detektivische Suche nach aussagekräftigen Möglichkeiten, um das Bewusstsein von Menschen in der Zone zwischen Leben und Tod zu untersuchen. Der Leser hat das Gefühl, jeden Erkenntnisfortschritt live mitzuerleben. Owen, Inhaber des “Canada Excellence Research Chair” für Neurowissenschaften und Bildgebung an der University of Western Ontario, hält es für seine wichtigste Entdeckung, “dass 15 bis 20 Prozent der Wachkomapatienten, die mutmaßlich kaum mehr Bewusstsein besitzen als ein Brokkoli-Kopf, tatsächlich über ein volles Bewusstsein verfügen, auch wenn sie auf keinerlei äußere Reize reagieren”.
Adrian Owen
Zwischenwelten
Droemer, München 2017
320 S., € 19,99
ISBN 978–3–426–27694–5