Das Buch ist ein Abgesang, denn die Abgebildeten werden in wenigen Jahrzehnten verschwunden sein. Nicht unbedingt die Stammesgemeinschaften und Ethnien – aber ihre Traditionen bei Körperbemalung, Kleidung, Masken, Waffen. Hier sind sie in einem Prachtband vereint: namibische Himba mit ihren Ockerfrisuren, Asaro-Schlammmenschen aus Neu- Guinea, furchteinflößend ausstaffierte Mursi aus Äthiopien und viele mehr. Jimmy Nelson hat sie mit einer 50 Jahre alten Großbildkamera – buchstäblich – in Szene gesetzt. Nach seinem Berufseinstieg als Bildjournalist verdiente der Brite sein Geld mit Werbe- und Modefotografie. Dabei lernte er, Objekte und Models zu arrangieren und zu inszenieren. Das Gleiche hat er nun bei Menschen in Ladakh, Kasachstan, Ecuador getan.
Die Gefahr war groß, dass dabei ein Menschenzoo entsteht. Aber Nelson hatte ein gutes Vorbild: den amerikanischen Ethnologen und Fotografen Edward Sheriff Curtis. Der porträtierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts Hunderte nordamerikanischer Indianer. Diese Bilder sind heute Klassiker, allesamt streng, statuarisch, entrückt – und würdevoll. Das ist auch im vorliegenden Buch gelungen.
Warum er denn die Abgebildeten so inszeniere, fragte ihn die Journalistin Marion Meier auf den Online-Seiten der „Welt”. Nelson antwortete: „Auf einem Titelbild in der entwickelten Welt zeigen wir uns ja auch nicht unbedingt, wie wir aussehen, sondern wie wir aussehen möchten. So wollte ich den Menschen ein Denkmal setzen.”
Thorwald Ewe