Jeder Hotelgast würde sich beschweren: Es ist eng, überall riecht es nach Körperausdünstungen und Müll, zudem nervt ein permanenter Geräuschmix aus Ventilatoren und elektronischen Geräten. Nein, angenehm ist das Leben auf der Internationalen Raumstation ISS nicht, die seit 20 Jahren rund 400 Kilometer über der Erde kreist. Scott Kelly muss es wissen – der US-Astronaut verbrachte fast ein ganzes Jahr auf diesem Außenposten der Menschheit. Seine Erfahrungen und Erlebnisse hat er in einer Autobiografie zusammengefasst, die den Titel „Endurance“ trägt – eine Reminiszenz an das Schiff, mit dem Ernest Shackleton vor einem Jahrhundert eine Antarktisexpedition unternahm, dabei grandios scheiterte, aber doch die gesamte Besatzung retten konnte.
Derart Dramatisches ist Scott Kelly auf der ISS glücklicherweise nicht widerfahren; und doch erscheint der Aufenthalt an Bord nicht als reines Vergnügen. Darin liegt die große Stärke des großartig erzählten Buchs: Dass Kelly – untypisch für Astronauten – nichts herunterspielt, sondern ungeschönt über den harten Alltag in einer lebensfeindlichen Grenzsituation berichtet und auch mal Kritik an der NASA übt. Er gibt tiefe Einblicke in sein Leben und seine Gefühle, beschreibt die Härte des Trainings ebenso wie die unangenehmen Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den Körper. Selbstzweifel quälen ihn, wenn er sich nach der Ankunft auf der ISS fragt: „Worauf habe ich mich da bloß eingelassen!“
Scott Kelly
Endurance
C. Bertelsmann Verlag, 480 S., € 25,– ISBN 978–3–570–10329–6
E-Book für € 19,99, ISBN 978–3–641–21189–9