Der Tiefseetaucher und Biologe Hans Fricke hat ein fesselndes Buch über sein Forscherleben geschrieben – voller unglaublicher Abenteuer.
Allein die Zeit, die Hans Fricke unter Wasser verbracht hat, ist eine Ansage: 10 000 Stunden. Noch beeindruckender ist die Hartnäckigkeit, mit der dieser Mann seinen Beobachtungen ein Berufsleben lang nachgegangen ist. Als er zum Beispiel wissen wollte, was bestimmte Schmetterlingsfische fressen, machte er es nicht so wie andere Meeresforscher, die sich den Mageninhalt anschauen. Fricke wollte kein einziges Lebewesen töten. Also nahm er sich vor, einem einzelnen Fisch eine Stunde lang hinterher zu schwimmen. Am Ende waren es 36 Stunden – und der Meeresforscher hatte nicht nur ergründet, was seine Schützlinge futterten, sondern er wusste auch, dass es bei der Nahrungsaufnahme Spezialisten gibt. Ein Fisch fraß nur die Polypen der Steinkorallen, ein anderer bevorzugte Weichkorallen. Und ein dritter schnappte so gekonnt nach Plankton, dass er davon satt wurde.
Ebenso beharrlich sammelte Hans Fricke, Jahrgang 1941, Wissen über Röhrenaale, die einzigen stationären Wirbeltiere. Sie sitzen fest, ähnlich wie Pflanzen, und schlängeln ihren Körper aus Löchern am Meeresgrund heraus, um Zooplankton aufzufangen. Eine Woche lang ging Fricke alle zwei Stunden (Tag und Nacht!) ins Wasser, bis er den Tagesablauf der Tiere genau kannte.
Seine Expeditionen lieferten ihm spannendes Material für preisgekrönte Dokumentarfilme, Bücher und Zeitungsartikel. Es war sein Team, das es schaffte, vor allen anderen den Quastenflosser in seiner natürlichen Umgebung zu beobachten. Im arktischen Eis spürte Fricke die Loevenskiold auf, das am weitesten nördlich gelegene Schiffswrack der Welt – die Hinterlassenschaft einer deutschen Arktis- Expedition. Er tauchte in den tiefsten Burgbrunnen der Erde im Südharz hinab – und entdeckte einen Schatz. Er suchte ein bestimmtes Bakterium – und fand es in einem Bergsee, angesiedelt auf versenktem Falschgeld der Nazis.
So unglaublich manche Geschichte klingt, so überzeugend und unterhaltsam vermittelt der zum Homo aquaticus gewordene Hans Fricke seine Leidenschaft für die Welt unter Wasser. Dieses autobiografische Werk ist ein Lehrbuch: Am Ende kennt der Leser nicht nur den lebendgebärenden Zahnkarpfen namens Schwefelmolly, die Pyjama-Nacktschnecke und den Schleimfisch Runula. Er wird fortan auch mit großer Ehrfurcht allem begegnen, was sich in der Wasserwelt so herumtreibt. Urs Willmann
Hans Fricke
UNTERWEGS IM BLAUEN UNIVERSUM
Galiani, 352 S., € 25,–
ISBN 978–3–869–71202–4