Das kann man so sehen, meint Dr. Jens Soentgen vom Wissenschaftszentrum Umwelt der Universität Augsburg, der die Ausstellung “Grüner Klee und Dynamit. Der Stickstoff und das Leben” konzipiert hat. Denn der vermeintlich banale Stickstoffdünger habe durch einen technischen Bypass eine fundamentale ökologische Grenze überwunden. Reaktiver Stickstoff, der Motor allen biologischen Wachstums, ist in der Natur knapp. Nur bestimmte Bakterien und Gewitter liefern begrenzt Nachschub. Damit waren bislang unverrückbare Grenzen, auch für den Menschen gesetzt, weil die Nahrungsmittelproduktion fast immer durch das Stickstofflimit kontrolliert wird.
Durch das neue Verfahren aber ist reaktiver Stickstoff im Überfluss herstellbar. Und er wird auch seit nunmehr 100 Jahren in stetig steigender Menge hergestellt. Dadurch konnten die Ernten weltweit verdoppelt werden, die beackerbare Fläche ließ sich multiplizieren. “Das enorme Bevölkerungswachstum auf derzeit 7 Milliarden Menschen wäre ohne dieses Verfahren nicht möglich gewesen”, so Soentgen.
Jetzt ist der Mensch gefordert, sich selbst Grenzen zu setzen.
Das Haber-Bosch-Verfahren hat die ökologische Nische des Menschen und der mit ihm verbündeten Geschöpfe gesprengt. Jetzt ist der Mensch gefordert, sich selbst Grenzen zu setzen. Denn der Planet Erde verträgt keine beliebig steigende Stickstoffmenge. Die unbegrenzt wachsende Bevölkerung erzeugt politische und ökologische Konflikte. “Darin”, so Soentgen, “liegt die welthistorische Bedeutung dieses Verfahrens. Hinzufügen könnte man, dass das Haber-Bosch-Verfahren auch die Kriege des 20. und 21. Jahrhunderts befeuert und verlängert hat, weil es mit dem reaktiven Stickstoff die Grundsubstanz fast aller konventionellen Sprengstoffe und Treibladungen liefert.”
Die Ausstellung “Grüner Klee und Dynamit – Der Stickstoff und das Leben” erzählt die Geschichte des Stickstoffs mit vielen einzigartigen Exponaten. Sie erläutert die biologische Bedeutung des Stickstoffs, seine ökologische Problematik, aber auch seine politische Relevanz. Mittelalterliche Ateliers des Alchemisten und des Salpeterers werden reizvoll kontrastiert mit moderner Hochtechnologie. Viele Hands-on-Exponate machen den Stoff und seine Geschichte begreifbar.
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Foto: Stickstoff © markara – Fotolia.com