Der interaktive Truck „expedition d“ vermittelt Schülern in Baden-Württemberg Einblicke in eine Arbeitswelt, die durch digitale Techniken bestimmt sein wird
von FRANK FRICK
Anna steigt die Treppe hinauf in den Truck. Er steht seit Montagmorgen auf dem Schulhof. Wegen seiner hohen Aufbauten, seinen Grafiken und der Aufschrift „expedition d“ ist er kaum zu übersehen. Anna weiß: Das „d“ steht für Digitalisierung. Was sie im Truck erwartet, weiß sie dagegen nicht.
Zuerst sind das zwei Coaches. Sie empfangen Anna und ihre Mitschüler vor einer gigantischen Medienwand, die eine ganze Längsseite des Trucks einnimmt. Die Coaches führen den Schülern vor Augen, wie Digitalisierung die künftige Arbeitswelt beeinflusst. Dabei zeigen sie Videos und Bilder, die sie durch einfache Berührungen der Medienwand abrufen. Dann fordern sie die Schüler auf, sich in Dreiergruppen zusammenzuschließen, um gemeinsam je einen Arbeitsauftrag auszuführen. Anna schwankt zwischen zweien der möglichen Themen: „Konstruiere ein selbstfahrendes Auto“ und „Erstelle eine Smart Watch.“ Ihre zwei Freundinnen geben den Ausschlag: Ihnen erscheint die fiktive Autoentwicklung besonders spannend.
Die Coaches teilen an jede Dreiergruppe einen Tablet-Computer aus. Darauf findet Annas Team eine Aufzählung von fünf digitalen Techniken, die beim selbstfahrenden Auto wichtig sind. Drei davon sollen die Mädchen näher erkunden. Anna und ihre Freundinnen entscheiden sich für „Virtuelle Realität (VR)“, „Sensorik“ und „Kommunikationsprotokoll“. Eine Karte auf dem Tablet, in dem die entsprechenden Stationen markiert sind, erklärt den Mädchen, welche Techniken wo im 50 Quadratmeter großen Untergeschoss des Trucks zu finden sind.
Mit VR-Brille durchs Weltall
An der ersten Station von Annas Team können sich die Schülerinnen mit VR-Brille virtuell durch das Weltall bewegen. Mit dem Controller, einem stabförmigen Steuergerät, verschieben sie die Planeten und bringen sie in ihre richtige Umlaufbahn. Danach sind sich Anna und ihre Freundinnen bei einem kleinen Verständnistest sicher: „Sensoren in einer VR-Brille erfassen durch Messung der Beschleunigungskräfte die Position des Kopfes und passen dadurch das Video in der Brille an“. Das wissen die Mädchen aus dem Physikunterricht. Doch grübeln müssen sie bei der Aussage „VR funktioniert nur mit polarisiertem Licht“. Stimmt das? Nein, entscheiden sie letztlich.
Auch bei den folgenden Fragen zur Bedeutung der Virtuellen Realität im Berufsleben liegt Annas Gruppe richtig. Denn tatsächlich werden Informatiker für jede VR-Anwendung gebraucht. Und ja, als Automobilkauffrau kann man mittels Virtual Reality „Kunden helfen, ihr Wunschauto zu erleben, bevor es überhaupt gebaut wurde“.
Ähnlich ist der Ablauf an Annas nächster Station, die sich mit Sensoren beschäftigt. Sie ermöglichen es unter anderem, dass ein Auto auftauchende Hindernisse selbstständig erkennt. Die dritte Station der Gruppe ist die Medienwand, die Anna nicht nur wegen ihrer Größe und ihren scharfen Bildern beeindruckt: Auf jede ihrer Touch-Eingaben reagiert die Wand blitzschnell und zuverlässig, obwohl viele Schüler gleichzeitig ihre Finger spielen lassen. Denn auch andere Gruppen ihrer Klasse erkunden an der Medienwand Techniken, die sie für ihren Auftrag benötigen. Anna lernt: Kommunikationsprotokolle sind ein Regelwerk, das Maschinen – also auch selbstfahrende Autos – benötigen, wenn sie miteinander kommunizieren.
Resultate auf dem Digiposter
Nach dem Rundgang erstellt Annas Gruppe noch im Truck das in der Aufgabenstellung geforderte digitale Poster „Unser selbstfahrendes Auto“. Mithilfe von vorgefertigten Grafiken und Textbausteinen stellen die Freundinnen darauf die drei erkundeten Techniken kurz vor und ergänzen eigene Anmerkungen. Später im Unterricht laden sie das Digiposter aus dem Internet herunter. So können alle Schüler verfolgen, was die anderen Gruppen gemacht haben. Zu Hause zeigt Anna ihren Eltern die Webseite zum Truck. Gemeinsam schauen sie alle Stationen an und sprechen über die Infos zu mehreren Berufsbildern.
„Wir möchten den Schülerinnen und Schülern zeigen, dass ihre berufliche Zukunft von der Digitalisierung geprägt sein wird“, sagt Sabine Pfeifer, bei der verantwortlichen Projektagentur Flad & Flad die Leiterin des Programms „Coaching4Future“. Expedition d ist ein neuer Baustein dieses Programms, das die Baden-Württemberg Stiftung, der Arbeitgeberverband Südwestmetall und die Bundesagentur für Arbeit finanzieren. Das Ziel: Nachwuchs gewinnen für Berufe, die auf den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) basieren.
„Die Schüler erstellen ihr Poster als ein eigenes digitales Produkt. Dazu erkunden sie verschiedene Technologien. Dann erbringen sie eine Transfer-Leistung: Sie erkennen, was die einzelne Technologie mit ihrem Produkt zu tun hat und wie Technologien zusammenspielen“, erklärt Pfeifer. Im Obergeschoss des Trucks bieten die Coaches vertiefende Workshops an.
Nach dem Start der expedition d können Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg das gleiche erleben wie die fiktive Anna. „Wenn wir die Schulen über den Start der expedition d informiert haben, wird der Truck schnell über ein Jahr im Voraus ausgebucht sein“, ist Christoph Dahl überzeugt. Der Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung kann sich auf die Erfahrung mit dem Truck „Discover Industry“ berufen, der seit 2015 durchs Land tourt und Schülerinnen und Schülern den industriellen Produktentstehungsprozess nahebringt. Er ist dreifach überbucht.
Mehr Infos unter: www.expedition.digital