Liebe Leserin, lieber Leser,
wir leben im Goldenen Zeitalter der Kosmologie. Erstmals beginnt der Mensch, den Ursprung des Universums im Detail zu verstehen – nicht als mythische Erzählung, religiöses Dogma oder philosophische Spekulation, sondern auf harter, überprüfbarer wissenschaftlicher Basis.
Vor 100 Jahren wären diese Einsichten noch völlig unmöglich gewesen. Nicht einmal die theoretische Grundlage gab es damals. Die Allgemeine Relativitätstheorie war nicht vollendet, die Quantentheorie erst im Anfangsstadium. Vor genau 50 Jahren haben Wissenschaftler wichtige Meilensteine gesetzt: Das Standardmodell der Elementarteilchen (Quark-Modell und Higgs-Mechanismus) wurde entwickelt, und die Kosmische Hintergrundstrahlung wurde entdeckt. Sie gilt bis heute als eines der besten Indizien für den Urknall. Und sie birgt vielsagende Spuren, aus denen Kosmologen inzwischen das Alter, die Entwicklung und die Zusammensetzung des Universums äußerst präzise errechnen können. Seit noch nicht einmal 20 Jahren gibt es ein „Standardmodell” der Kosmologie, das alle Daten widerspruchsfrei beschreibt. Und erst in jüngster Zeit ist es den Forschern gelungen, den Zustand des frühen Universums hier auf der Erde nachzuahmen – im Teilchenbeschleuniger LHC am CERN bei Genf –, und mit dem Planck-Satelliten das Wispern des Urknalls so genau wie überhaupt möglich zu messen. bild der wissenschaft hat das Abenteuer der Weltentstehung und der Erforschung des Universums in dieser Sonderausgabe unterhaltsam und leicht verständlich nachgezeichnet. Dieses Heft beleuchtet die Entstehungsgeschichte des Urknall-Modells, Irrwege und Alternativen sowie die großartigen Bestätigungen der theoretischen Voraussagen. Sogar andere Universen sind kein Tabu-Thema mehr in der Kosmologie.
Auf den folgenden Seiten geht es auch um die allerneuesten Erkenntnisse, die das Teleskop BICEP2 gewonnen hat: Im März gab das amerikanische Forscherteam, das dieses Spezialobservatorium am Südpol betreibt, eine Sensation bekannt: Die Wissenschaftler haben wohl Gravitationswellen von der Epoche der Kosmischen Inflation gemessen, die das Universum einst groß gemacht hat. Falls sich das bestätigen lässt, sind die Kosmologen bis auf 10–34 Sekunden an den Urknall herangekommen. Auch diese Daten passen zur Existenz anderer Universen.
Willkommen im Multiversum!
Rüdiger Vaas
Astronomie- und Physik-Redakteur von bild der Wissenschaft
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