ZWISCHEN KATASTROPHE UND SKEPSIS
WER DIE WELT in die Kategorien Schwarz und Weiß aufteilt, liegt zwangsläufig falsch. Denn zwischen diesen beiden Extremen gibt es nicht nur einige, sondern beliebig viele Graustufen. Diese uralte Erkenntnis trifft auch auf die Klimaforschung zu: Da gibt es auf der einen Seite die sogenannten Klimaskeptiker, nach deren Meinung der Mensch beim derzeit beobachteten Klimawandel gar nicht oder nur sehr unwesentlich mitwirkt. Maßnahmen gegen das sich ändernde Klima seien daher unnötig oder zumindest nicht prioritär, folgern sie aus dieser Annahme. Das andere Extrem sind diejenigen, die in lebhaften Farben Katastrophen zeichnen, die der Klimawandel für bestimmte Regionen oder auch für die gesamte Erde mit sich bringt. Weil der Mensch schuld an diesem Klimawandel sei, lassen sich solche Katastrophen ihrer Meinung nach nur verhindern, wenn die Aktivitäten der Menschen so gestaltet werden, dass sich die durchschnittliche Temperatur auf der Erde um höchstens zwei Grad Celsius erhöht.
Wie so oft liegt die Realität zwischen den Extremen. In diesem bild der wissenschaft research werden Hintergründe beleuchtet, aber auch Konsequenzen geschildert: Neben der globalen, in bestimmten Regionen seit Jahr tausenden andauernden Landnutzung besteht der wichtigste Einfluss des wirtschaftenden Menschen auf das Klima im Verbrennen immer größerer Mengen an Kohle, Erdöl und Erdgas. Vor allem die Industrieländer, zu denen längst nicht nur die westlichen Nationen, sondern auch China, Indien und Brasilien gehören, hängen stark von diesen fossilen Energierohstoffen ab.
Aus der Sicht eines Geoforschers lagern wir bei deren Nutzung Kohlenstoff aus den Langzeitspeichern der oberen Erdkruste in den Kurzzeitspeicher Erdatmosphäre um. Nach den Gesetzen der Physik trägt dieser oxidierte Kohlenstoff als Treibhausgas zur Erwärmung der Erdatmosphäre und damit zur Klimadynamik und zum Klimawandel bei. Das Klima der Erde beinhaltet nicht nur eine Reihe von Wirkungsmechanismen und Rückkopplungen, die wir oft nur in groben Zügen, aber noch längst nicht in allen Einzelheiten kennen. Das Klima ist auch eng verknüpft mit den verschiedenen Teilsystemen der Erde, von den Strömungen in den Weltmeeren über die Vegetation an der Erdoberfläche bis hin zu den Vorgängen im Erdinneren.
Zudem ist unsere Erde ein Planet und unterliegt wichtigen extraterrestrischen Einflüssen, und dies gilt in besonderem Maße für das Klima. Wie jeder Planet, so hat auch unsere Erde einen Anfang und ein Ende und befindet sich in einer kontinuierlichen Entwicklung. Die Erde ist also kein statisches System mit bestimmten dauerhaften Gleichgewichtszuständen, sondern unsere Erde ist ein dynamisches Wirkungsgefüge, das praktisch zu jeder Zeit in einen neuen Zustand, in eine neue Entwicklungsphase übergehen kann. Da das Klima eng an die Entwicklungsdynamik gekoppelt ist, trifft diese Feststellung ebenfalls und besonders für das Klima zu. Das ändert sich auch, wenn der Mensch nicht mitwirkt.
Klimamodelle können dieses komplizierte System daher nicht beschreiben – an sich benötigen wir modellhafte Abbildungen des gesamten Erdsystems. Aber auch damit ließe sich das Klima nicht planen, sondern allenfalls könnten wir seine Dynamik besser abschätzen. So wissen wir auch nicht exakt, welchen Anteil der Mensch am aktuellen Klimawandel hat und welcher Anteil den natürlichen Klimafaktoren zukommt. Gleichwohl gilt, dass der Mensch infolge seiner technisch-kulturellen sowie demografischen Entwicklung – heute leben sieben Milliarden Menschen auf dem Globus, vor 50 Jahren war die Zahl noch nicht einmal halb so groß – inzwischen selbst zum Geofaktor geworden ist und eben auch das Klima beeinflusst. Steuern oder kontrollieren kann der Mensch das Klima aber nicht. Es ist gleichwohl klar, dass wir den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel minimieren müssen: Wir müssen die anthropogenen Treibhausgas-Emissionen möglichst stark reduzieren.
Allerdings steigen diese Treibhausgas-Emissionen trotz der eingeleiteten Minderungsmaßnahmen (Mitigation) global weiter. Dieser Trend wird sich auch in der absehbaren Zukunft fortsetzen, eventuell sogar beschleunigen. Hinzu kommt, dass die CO2-Moleküle in der Atmosphäre länger, und zwar vermutlich bis über 1000 Jahre, stabil sind und sich diese Komponente der Atmosphärenchemie somit als recht träge erweist. Daraus folgt, dass wir uns an den Klimawandel anpassen müssen (Adaptation). Dabei ist schon jetzt klar erkennbar, dass die Auswirkungen der globalen Erderwärmung regional sehr verschieden sind. Anpassungsmaßnahmen müssen deshalb anders als Mitigationsverfahren regional spezifisch entwickelt und angewendet werden.
Bei der Analyse des komplexen Systems Erde – einschließlich des Schnittstellenbereichs Klima – und der nötigen Anpassung an die sich ändernden Bedingungen können Geoforscher und Ingenieure entscheidende Beiträge leisten. Die Abbildungen in diesem bild der wissenschaft research stammen aus den Forschungsaktivitäten des Deutschen Geo-ForschungsZentrums GFZ, das mit seinen Arbeiten in die weltweite Erdsystem- und Klimaforschung eingebunden ist. Ohne direkt Bezug auf den Text zu nehmen, geben diese Illustrationen einen Einblick in die Vielfalt und Komplexität der bereits erforschten sowie der noch zu untersuchenden Fragestellungen.
Den Wissenschaftlern des GFZ danke ich sehr für ihre Unterstützung bei der Durchsicht und der Kommentierung der Texte. Ebenfalls mit Nachdruck bedanke ich mich bei dem Wissenschaftsjournalisten Dr. Roland Knauer, der mich beim Verfassen dieses Textes unterstützt hat, und bei meiner Assistentin Steffi Heller für ihr waches Auge und ihre große Ausdauer bei der Niederschrift.
Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard F. Hüttl
Wissenschaftlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender des Deutschen GeoForschungsZentrums – GFZ