wissenschaft.de: Haben Sie die nötigen finanziellen Mittel bereits beisammen, und wann kommen die Geräte auf den Markt?
Popp: Wir sind noch dabei, sie zu akquirieren. Wir wollen sowohl Arztpraxen als auch Kliniken für unsere Technologie gewinnen. Dafür müssen die Spektroskopie-Geräte klein, handlich und kostengünstig sein. Die entsprechenden Labormuster wollen wir in zwei bis drei Jahren vorstellen. Nach zwei weiteren Jahren klinischer Tests könnten die Geräte dann auf den Markt gehen.
Wie viel darf denn ein Diagnose-Gerät für eine Praxis kosten?
Popp: Das Gerät muss für etwa 1000 Euro angeschafft werden können. Ansonsten schaffen wir es nicht in die Praxen der Ärzte.
Und die Leistung muss über die Kassen abrechenbar sein?
Popp: Genau. Dieses Thema dürfen wir nicht unbeachtet lassen. Im Rahmen des Forschungsverbundes ”Leibniz Gesundheitstechnologien” kümmern wir uns auf nationaler Ebene auch um Themen wie CE-Zertifizierung, Zulassung und Erstattungsfähigkeit – also um wichtige Aspekte, die wir Wissenschaftler nicht immer im Blick haben. Durch die Unterstützung des Leibniz-Forschungsverbunds ist es einfacher, aus unseren Entwicklungen Innovationen zu machen. Ich sehe immer wieder, dass gute Ideen im Gesundheitssektor auf der Strecke bleiben, weil sich die Wissenschaftler nicht rechtzeitig um wesentliche Rahmenbedingungen gekümmert haben.
Krauss-Etschmann : Viele Wissenschaftler haben Defizite, weil sie nicht gelernt haben, mit den Herausforderungen des Forschungstransfers umzugehen.
Am Forschungszentrum Borstel gleichen wir dies durch die Zusammenarbeit mit einer Technologietransfer-Gesellschaft beziehungsweise durch Expertisen solcher Forschungsverbünde aus.
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Wie hilft hier die Leibniz-Gemeinschaft weiter?
Popp: Hinter dem Forschungsverbund “Leibniz Gesundheitstechnologien” steckt die Idee, Kompetenzen innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft für Lösungen im Bereich von Diagnose, Überwachung und Therapie zu bündeln. Der Zusammenschluss vereint deshalb lebenswissenschaftlich-medizinische, naturwissenschaftlich-technische, geisteswissenschaftliche und ökonomische Leibniz-Institute. Es geht um die intelligente Vernetzung. Die Leibniz-Gemeinschaft baut gerade eine Geschäftsstelle für diesen Forschungsverbund auf, um die Institute und ihre Kompetenzen untereinander, aber auch mit externen Partnern wie Krankenversicherungen, Industrie- und Ärzteverbänden zu vernetzen.
Wie geht man auf andere Institute konkret zu? Müssen Sie einen Antrag stellen und warten, bis der genehmigt wird?
Popp: Wir treffen uns regelmäßig und tauschen Ideen für gemeinsame Projekte aus. Vorarbeiten finanzieren wir aus unseren Institutsetats. Wenn wir sehen, dass etwas sinnvoll ist, stellen wir gemeinsame Anträge. Ein Beispiel: Soeben haben wir mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung das Projekt “Exasens” auf den Weg gebracht. Darin geht es um einen Sensor, den wir bauen wollen, um eine akute Verschlechterung bei bestehendem Asthma früher zu erkennen. Um nicht am Markt vorbei zu forschen, haben wir das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle mit im Boot. Es unterstützt uns mit seiner sozio-ökonomischen Expertise, indem es Kosten und Nutzen dieser Entwicklung analysiert.
Wie könnte der Einsatz neuer Gesundheitstechnologien dann in der Praxis aussehen?
Krauss-Etschmann: Bleiben wir beim Beispiel Exasens: Patienten mit einer chronischen Lungenerkrankung könnten ein intelligentes Gerät erhalten, das eine Verschlechterung früh erkennt. So könnte der Patient seine Therapie selbst intensivieren und müsste wahrscheinlich nicht ins Krankenhaus. Das ist für ihn effizienter, und zugleich entlastet es das Gesundheitssystem.
Popp: Wir arbeiten im Leibniz-Forschungsverbund bereits an einem solchen preisgünstigen Gerät, das die Probe in einer Kartusche analysiert und dem Patienten empfiehlt, wie er weiter vorgehen soll.
Wo wollen Sie in zehn Jahren stehen?
Krauss-Etschmann: Ich arbeite daran, Asthma bereits im Kindesalter zu verhindern – das wird auch in Zukunft mein großes Thema sein. Asthma ist die häufigste chronische Erkrankung im Kindesalter und besteht meist lebenslang. Aktuell sind 300 Millionen Menschen weltweit betroffen. Bis 2030 werden deutlich steigende Patientenzahlen erwartet. Am Forschungszentrum Borstel haben wir einen Schwerpunkt auf die Krankheitsentstehung gesetzt – das sind für mich ideale Voraussetzungen, um dieses wichtige Thema zu bearbeiten.
Popp: Wir möchten die Gesundheitstechnologien ganz vorne bei Leibniz verankern. Und was unser Institut IPHT angeht, werden wir unter anderem an Problemlösungen für die Bereiche Lebenswissenschaften, Umweltwissenschaften und Medizin arbeiten. Dabei geht es um Lösungen, die den Menschen zugutekommen. Ich möchte einmal daran gemessen werden,
dass die Steuergelder, die wir für unsere Forschung verwendet haben, zum Wohl von Patienten und Umwelt beigetragen haben.
Das Interview führten Thorwald Ewe und Wolfgang Hess.
Das Interview ist in bild der wissenschaft 9/2016 erschienen.
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