Ein Blick genügt – Zeiger und Ziffern vermitteln uns die Tageszeit. Doch wie sieht es mit der inneren Uhr aus? Wie spät es in unserem Körper ist, kann nun ein einfacher Bluttest anzeigen. Das Konzept zur biologischen Zeiterfassung könnte der Gesundheitsvorsorge dienen, sagen die Entwickler. So könnten etwa Behandlungsmaßnahmen auf die innere Uhr eines Patienten abgestimmt werden. Darüber hinaus lässt sich feststellen, inwieweit innere und äußere Uhr synchron laufen. Es ist in diesem Zusammenhang bekannt, dass Diskrepanzen mit gesundheitlichen Problemen einhergehen.
Die Forschung der letzten Jahre hat immer deutlicher gezeigt, welche enorme Bedeutung der sogenannte zirkadiane Rhythmus für zahlreiche Funktionen des Körpers hat. Neben dem Schlaf-Wach-Rhythmus werden demnach nahezu in jedem Gewebe und Organsystem bestimmte Prozesse durch die interne biologische Uhr gesteuert. Ist dieses System gestört oder nicht im Einklang mit der externen Zeit, drohen negative Folgen für die Gesundheit. Durch bestimmte Lebensumstände kann es zu solchen Verschiebungen kommen – etwa bei Schichtarbeitern.
„Auf das Timing kommt es an!“
Bereits seit einigen Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler von der Northwestern University in Evanston mit der Erforschung des zirkadianen Rhythmus und den Folgen von Störungen dieses Systems. „Auf das Timing kommt es an!“ sagt Co-Autor Ravi Allada. „Wir wissen, dass eine Störung der inneren Uhr Menschen für eine Reihe von Krankheiten anfällig machen kann“. Beispielsweise sind Zusammenhänge zwischen zirkadianen Diskrepanzen und Diabetes, Fettleibigkeit, Depressionen, Herzerkrankungen und Asthma belegt. Darüber hinaus ist bekannt, dass der Stoffwechsel zu bestimmten inneren Uhrzeiten unterschiedlich auf verschiedene Substanzen oder Behandlungen reagiert.
Aus diesen Gründen ist ein Verfahren zur Erfassung der Einstellung der inneren Uhr wichtig, sagen die Wissenschaftler. Ihnen zufolge waren die entsprechenden Methoden bisher allerdings kostspielig, zeitaufwändig und umständlich. “Verschiedene Forschergruppen haben versucht, die interne zirkadiane Zeit durch einen Bluttest zu erfassen. Unser System ist in diesem Zusammenhang nun ein Durchbrucht”, sagt Co-Autorin Rosemary Braun. “Wir können die Einstellung der biologischen Uhr einer Person damit nun innerhalb von anderthalb Stunden präzise beurteilen”.
„TimeSignature“ erfasst die Körperzeit
Wie die Wissenschaftler erklären, untersucht das TimeSignature genannte Verfahren die Expression von 40 Genen, deren Aktivitätsmuster mit der Uhrzeit im Körper verknüpft sind. Maschinelles Lernen führte zu diesem Konzept: Computer wurden trainiert, anhand von Mustern in der gemessenen Genaktivität auf die Einstellung der inneren Uhr zu schließen. Aus 20.000 Genen kristallisierten sich dabei 40 Erbanlagen als die besten Marker heraus. Sie bilden nun die Grundlage für die Zeiterfassung des TimeSignature Systems. Die dazu nötige Blutuntersuchung kann zu jeder Tageszeit durchgeführt werden und liefert schnell ein Ergebnis, berichten die Wissenschaftler.
Wie sie betonen, könnte TimeSignature nun in verschiedener Weise nützlich werden. Etwa in der Forschung: Es bietet die Möglichkeit, die Auswirkungen von falsch ausgerichteten zirkadianen Uhren auf eine Reihe von Krankheiten zu untersuchen. Vor allem aber zeichnet sich Potenzial für die Medizin ab: Die Erfassung der Einstellung der inneren Uhr eines Patienten könnte hilfreich sein, um Medikamentendosierungen oder Behandlungen auf einen optimalen Zeitpunkt einzustellen.
“Das System könnte zu einem integralen Bestandteil der personalisierten Medizin werden”, sagt Co-Autor Phyllis Zee. “Bei so vielen Medikamenten gibt es optimale Einnahme-Zeiten und entsprechende Dosierungen. Es ist deshalb wichtig zu wissen, wie spät es im Körper ist, um die effektivsten Wirkungen zu erzielen. Beispielsweise kann sich die optimale Zeit, ein Blutdruckmedikament zu nehmen oder eine Chemotherapie- oder Bestrahlungs-Behandlung zu erhalten, von Patient zu Patient unterscheiden”, verdeutlicht der Wissenschaftler.
Wie die Northwestern University mitteilt, könnte TimeSignature schon bald zur Verfügung stehen, denn das Verfahren ist bereits zum Patent angemeldet. Damit auch andere Wissenschaftler das System für Forschungszwecke nutzen können, haben die Entwickler die Software und den Algorithmus von TimeSignature bereits frei zur Verfügung gestellt.