Nüchtern betrachtet hat Sex eigentlich eine Menge Ekel-Qualitäten: Normalerweise lösen Speichel, Schweiß, Sperma und Körpergerüche bei den meisten Menschen Abscheu aus. Diese Reaktion hat ähnlich wie Angst eine wichtige Schutzfunktion: Ekel bewahrt uns davor, mit möglicherweise infektiösen Substanzen in Kontakt zu kommen. Würde dieses Programm allerdings beim Sex nicht unterdrückt, wäre keine Fortpflanzung möglich. Die Forscher spekulierten deshalb schon vor Beginn der Studie, dass Ekelreaktionen im Rahmen sexueller Erregung abgeschwächt werden. Dafür gab es bereits Hinweise aus früheren Studien mit Männern. Um diese Annahme nun weiter experimentell zu untermauern, führten Charmaine Borg und ihre Kollegen Versuche mit 90 weiblichen Freiwilligen durch.
Schlüpfrige Experimente
Die Studentinnen der Universität Groningen wurden in drei Gruppen eingeteilt. Die einen sahen einen Erotikfilm, um in entsprechende Stimmung zu kommen. Die zweite Gruppe sah einen Actionfilm und die dritte entspannende Landschaftsimpressionen. Anschließend wurden die Probandinnen mit teils skurrilen Situationen und Aufgaben konfrontiert: Sie sollten beispielsweise einen Vibrator mit Gleitcreme einschmieren. In einem anderen Szenario reichten die Forscher den Frauen ein Glas zum Trinken, in dem ein totes Insekt schwamm, oder sie sollten sich mit einem schmuddeligen Handtuch die Hände abtrocknen. In Wirklichkeit handelte es sich aber nur um ein Plastikinsekt und ein Handtuch mit harmlosen Farbflecken. Die Frauen sollten danach auf einem Fragebogen angeben, wie sehr sie auf einer Skala von 1 bis 10 Ekel empfunden hatten.
Die Auswertungen ergaben, dass die Frauen, die zuvor einen Erotikfilm gesehen hatten, bei den Befragungen im Durchschnitt deutlich weniger Ekelpunkte vergaben als die Probandinnen, die einen Action- beziehungsweise Naturfilm gesehen hatten. Die Teilnehmerinnen in sexuell erregter Grundstimmung waren auch deutlich häufiger bereit, sowohl die sexbezogene Aufgabe (Vibrator einschmieren) als auch die übrigen Handlungen mit Ekelfaktor überhaupt durchzuführen.
Diese Ergebnisse bestätigen und erweitern nun die Resultate früherer Studien, die bisher nur mit Männern durchgeführt worden waren. Offenbar ist der ekelunterdrückende Effekt sexueller Erregung also geschlechtsübergreifend. Bei den Versuchen mit Männern war außerdem nur erfasst worden, inwiefern Erregung sich auf Ablehnungsverhalten gegenüber sexuellen Reizen auswirkt. Nun konnten Borg und ihre Kollegen belegen, dass Ekelgefühle generell durch Erregung abgeschwächt werden. Das ist offenbar der Schlüssel, warum Sex für den Menschen überhaupt genießbar ist, sagen die Forscher.