Frauen werden häufiger blind, entwickeln öfter einen Grünen oder Grauen Star und reagieren empfindlicher auf Kontaktlinsen und Medikamente als Männer. Als Ursachen werden Unterschiede in der Anatomie und im Hormonhaushalt vermutet. Wie äußert sich das konkret und was folgt daraus für die Behandlung von Augenerkrankungen bei Frauen und Männern? Ophtalmologen berichten über den Stand des Wissens bezüglich dieser geschlechtsspezifischen Unterschiede.
Die Augen von Männern und Frauen sind nicht gleich. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihres Aufbaus und ihres Hormonhaushalts. Frauenaugen erkranken dadurch anders als Männeraugen und müssten eigentlich geschlechtsspezifisch behandelt werden. Dies zeigt sich in der Augenheilkunde auf verschiedenste Weise.
Höheres Krankheitsrisiko durch Anatomie und Hormone
So weisen Frauen unter anderem ein höheres Risiko als Männer auf, zu erblinden oder eine andere Sehbehinderung zu entwickeln. Frauen leiden beispielsweise vier- bis fünfmal häufiger als Männer an einer endokrinen Orbitopathie – einer Erkrankung, bei der die Augen stark hervortreten. „Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass autoimmune Schilddrüsenerkrankungen wie Morbus Basedow bei Frauen viel häufiger auftreten“, erläutert die Augenärztin Maya Müller vom Institut für Refraktive und Ophthalmo-Chirurgie (IROC) in Zürich. Zudem sind Frauen weltweit bis zu viermal so häufig vom Engwinkelglaukom betroffen, einer Form des Grünen Stars. Dieser verursacht einen überhöhten Augeninnendruck, der den Sehnerv schädigt und unbehandelt zur Erblindung führen kann. „Das liegt zum Teil an anatomischen Unterschieden, da Frauen oft kleinere Augen und engere Vorderkammerwinkel haben“, so Müller.
Neben Autoimmunerkrankungen und Anatomie spielen aber auch die Hormone eine wichtige Rolle für die Augengesundheit. So entwickeln Frauen in vielen Regionen der Welt bis zu 1,7-mal häufiger einen Grauen Star, insbesondere nach den Wechseljahren. „Hier könnte der Rückgang von Östrogen als Schutzfaktor gegen oxidativen Stress im Auge eine Rolle spielen“, erläutert Müller. Darüber hinaus ist die Hornhaut bei Frauen in jedem Alter dünner und sensibler als bei Männern. Das könnte ebenfalls an den Hormonen liegen, da das weibliche Hormon Östrogen die Nerven in der Hornhaut beeinflussen kann. Die Augen werden dadurch trockener und empfindlicher: „Die erhöhte Sensibilität führt möglicherweise zu einer größeren Neigung zu Augentrockenheit, einer typischen Augenerkrankung der Frau, und Unbehagen, das sich etwa beim Tragen von Kontaktlinsen bemerkbar macht“, betont Müller.
Frauen kümmern sich besser um ihre Augen
Hinzu kommt, dass Medikamente gegen Augenerkrankungen bei Frauen anders wirken können oder sie diese schlechter vertragen. „Wir wissen, dass Frauen häufig sensibler auf bestimmte Medikamente oder konservierende Zusatzstoffe in Augentropfen reagieren“, sagt die Augenärztin. Andererseits schlagen Therapien bei Frauen oft besser an, weil sie ihre Behandlung konsequenter umsetzen als Männer. „Frauen wenden Glaukomtropfen regelmäßiger an und benötigen weniger Kontrolluntersuchungen bei der altersabhängigen Makuladegeneration“, erläutert Müller. Sie kümmern sich demnach im Krankheitsfall besser um ihre Augen als Männer.
Diese Erkenntnisse könnten zu besseren Behandlungsstrategien für beide Geschlechter führen. Doch die Umsetzung im klinischen Alltag gestaltet sich schwierig. „Viele Augenärztinnen und Augenärzte sind nicht ausreichend geschult, geschlechtsspezifische Faktoren einzubeziehen“, sagt Müller. Klare Richtlinien für geschlechtsspezifische Therapien gibt es bislang nicht, vor allem weil es noch keine detaillierten Langzeitstudien dazu gibt.
Quelle: Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft