Starke und schwere Kraftsportler – schlanke und drahtige Ausdauersportler: Warum kommen beide Extreme nicht kombiniert vor? Eine Studie an Mäusen wirft nun Licht auf diese Frage. Demnach wird im Muskel bei Krafttraining ein Botenstoff vermehrt gebildet, der Ausdauermuskeln in Kraftmuskeln verwandelt – der Prozess geht also zulasten der „drahtigen“ Muskulatur.
Vor allem im Leistungssport ist der „Entweder-Oder-Effekt“ bekannt: Die Art des Trainings muss dem jeweiligen Ziel angepasst sein, denn Krafttraining kann zu einer Verringerung der Ausdauerleistung führen. Vor allem bei Sportarten wie dem Rudern, die auf Kraft und auf Ausdauer ausgerichtet sind, muss dieser Zusammenhang beim Erstellen von Trainingsprogrammen berücksichtigt werden. Auf welchen Prozessen dieser Effekt allerdings basiert, war bisher unklar und es gibt auch generell noch viele offene Fragen dazu, was in Muskeln abläuft, wenn sie trainiert werden.
Kraft- versus Ausdauermuskeln
Über die Unterschiede zwischen Kraft- und Ausdauermuskeln ist bekannt, dass sie sich durch die Fasertypen unterscheiden, aus denen sie bestehen. Ausdauermuskeln werden demnach durch langsam kontrahierende Fasern gebildet. Bei Ausdauersportlern wie Marathonläufern sind diese Versionen besonders stark ausgeprägt. Kraftmuskeln bestehen hingegen aus Fasern, die sich besonders schnell zusammenziehen können. Diese Muskeln legen beim Krafttraining an Volumen zu und erbringen eine besonders große Kraftleistung.
Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher um Christoph Handschin von der Universität Basel nun die Rolle eines hormonähnlichen Botenstoffs aus der Gruppe der sogenannten Myokine ins Visier genommen: BDNF. Es war zuvor bekannt, dass Myokine eine Funktion im Muskelsystem und bei körperlicher Aktivität besitzen. Welche Rolle dem BDNF in diesem Zusammenhang zukommt, haben die Forscher nun durch Experimente im Mausmodell untersucht.
Ausdauermuskeln werden zu Kraftmuskeln
Sie konnten zeigen: BDNF sorgt im Muskel dafür, dass beim Krafttraining die Ausdauermuskulatur verringert wird. „Interessant ist, dass BDNF selbst vom Muskel gebildet wird und nicht nur auf den Muskel einwirkt. Der Botenstoff bildet gleichzeitig auch die neuromuskulären Synapsen um, also die Verbindungen zwischen Motorneuron und Muskel“, sagt Handschin. Wie er und seine Kollegen erklären, hat die Umformung der neuromuskulären Synapsen beim Krafttraining zur Folge, dass der Körper vermehrt Kraftmuskulatur aufbaut.
Der Knackpunkt ist allerdings: Der Zuwachs an Kraftmuskeln erfolgt auf Kosten der Ausdauermuskulatur. „Genauer gesagt werden durch die Ausschüttung des BDNFs die Ausdauermuskeln in Kraftmuskulatur umgewandelt“, sagt Handschin. Damit ist BDNF nun ein Faktor, von dem nachgewiesen werden kann, dass er eigens vom Muskel hergestellt wird und Einfluss auf die Muskelfaserform hat, resümieren die Wissenschaftler.
Neben diesem Ergebnis lieferte die Studie interessanterweise auch Hinweise zu Prozessen der Veränderung der Muskulatur im Alter, berichten die Forscher: Es zeichnete sich ab, dass dem BDNF auch eine Bedeutung im Rahmen des altersbedingten Rückgang der Muskelmasse und -funktion zukommt. „Dies könnte die Ergebnisse natürlich auch für die Entwicklung von therapeutischen Ansätze bei Muskelschwund im Alter interessant machen“, so Handschin.
Quelle: Universität Basel, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1900544116
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