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Unsere Nase erschnüffelt Düfte viel besser als gedacht

Neurowissenschaften

Unsere Nase erschnüffelt Düfte viel besser als gedacht
Illustration des menschlichen Geruchsinns
Mit jedem Schnuppern ziehen wir chemische Verbindungen aus der Luft in unsere Nase. Unser Geruchsapparat erkennt die zeitliche Abfolge dieser Duftstoffe in jedem Atemzug und löst ihre feine Dynamik auf. © Image by Mr. WU Yuli & Dr. ZHOU Wen

Unsere Nase gilt als unser schlechtestes sensorisches Organ. Zu Unrecht, wie Neurowissenschaftler bei Riechexperimenten herausgefunden haben. Demnach können wir schon mit einmal Luftholen verschiedene Düfte aus einer Geruchsprobe herausriechen und unterscheiden. Wir erkennen dabei Düfte sogar zehnmal schneller als bislang angenommen – ähnlich schnell wie unsere Augen Farben erkennen. Unsere Nase ist damit wesentlich sensibler als gedacht. Welche Duftnote einer Geruchsmischung in unserer Wahrnehmung dominiert, hängt aber auch von der Reihenfolge der präsentierten Düfte ab.

Unter unseren fünf Sinnen gilt der Geruch als der langsamste und unempfindlichste. Denn anders als bei unseren Augen, auf die kontinuierlich Licht trifft, gelangen Gerüche nur schubweise mit jedem Atemzug in unsere Nase. Wie schnell wir Duftänderungen wahrnehmen, hängt daher davon ab, wie schnell und oft wir einatmen. Diese Einschätzung beruht jedoch auch darauf, dass der Geruchssinn nur schwer zu messen ist. Düfte basieren auf flüchtigen chemischen Molekülen in der Luft, die rasch verfliegen. Ihre Zusammensetzung kann sich daher schneller ändern als wir sie wahrnehmen können. Die Geschwindigkeit und die zeitliche Abfolge, mit der unsere sensorischen Nerven in der Nase verschiedene Duftstoffe erkennen, sind dadurch nur schwer zu ermitteln.

Präzisionsapparat ermöglicht Geruchsforschung

Ein Team um Yuli Wu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking hat dieses Hindernis nun aus dem Weg geräumt und unseren Geruchssinn genauer untersucht. Die Neurowissenschaftler entwickelten ein Gerät, das Duftstoffe so schnell abgibt, dass sie in nur 18 Millisekunden auf die Nase einer Testperson treffen. Damit ist es möglich, innerhalb eines Atemzugs verschiedene Düfte nacheinander zu liefern statt gleichzeitig und vermischt. Wu und Kollegen nutzten dieses Gerät, um den Geruchssinn von 229 Probanden zu testen. Dabei präsentierten sie je zwei verschiedene Düfte – darunter Apfel-, Zwiebel-, Zitronen- und Blumen-Noten – in unterschiedlichen Reihenfolgen und Geschwindigkeiten. Die Testpersonen sollten dabei jeweils angeben, wann sich der Duft in ihrer Nase änderte.

Das Experiment ergab, dass schon ein Abstand von 60 Millisekunden ausreichte, damit die Testpersonen innerhalb desselben Atemzugs zwischen zwei Duftnoten unterscheiden konnten. Je länger der Abstand war, desto besser konnten sie die Düfte erkennen. Selbst wenn wir nur etwa eine Sekunde lang einatmen, nimmt unsere Nase demnach wahr, wenn dabei zwei Düfte kurz nacheinander auf unsere sensorischen Nerven treffen. Allerdings detektieren wir die beiden Düfte nicht gleichermaßen gut: Die Probanden berichteten öfter, dass der resultierende Geruch mehr nach jener Komponente roch, die von dem Gerät zuerst abgegeben wurde und somit schneller auf ihre Nerven traf als die zweite Duftnote – zumindest, wenn der Abstand zwischen den beiden Düften zwischen 100 und 200 Millisekunden lag. Die Reihenfolge der Sinneswahrnehmung dominiert demnach, wie wir einen Geruch empfinden.

Nase und Augen erkennen Reize gleich gut

Wu und Kollegen schließen daraus, dass unser Geruchssinn viel feiner ist und einzelne Duftnoten etwa zehnmal schneller wahrnimmt als bisher gedacht. „Damit wird die weit verbreitete Annahme widerlegt, dass der Geruchssinn unser langsamster ist“, schreibt das Team. Die Geschwindigkeit, mit der die Nerven in unserer Nase Düfte erkennen, ist demnach ähnlich schnell wie die Wahrnehmung von Farben in unseren Augen, die zwischen 50 und 100 Millisekunden benötigt. „Ein Atemzug an Gerüchen ist keine Langzeitbelichtung der chemischen Umgebung, die zeitliche Schwankungen ausgleicht. Vielmehr beinhaltet er eine zeitliche Empfindlichkeit, die der für die Farbwahrnehmung ebenbürtig ist“, sagt Seniorautor Wen Zhou von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.

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Wie angenehm die Düfte rochen und wie intensiv sie waren, hatte in den Experimenten keinen Einfluss auf das Ergebnis. Die Neurowissenschaftler geben jedoch zu bedenken, dass sie nur Duftnoten verwendet haben, die sich hinsichtlich Struktur und Geruchsbewertung stark unterschieden. Bei Düften, die sich stärker ähneln, könnte unsere Nase möglicherweise nicht ganz so fein reagieren, vermutet das Team. Ob dem so ist, sollen Folgestudien klären. Weiter untersucht werden soll auch, wie genau die Duftverarbeitung in den Nervenzellen unseres Riechsystems abläuft.

Quelle: Yuli Wu (Chinesische Akademie der Wissenschaften) et al.; Nature Human Behaviour, doi: 10.1038/s41562-024-01984-8

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