Über sieben Millionen Hunde gibt es in Deutschland laut einer Umfrage des Zentralverbandes Zoologischer Fachbetriebe. Etwa jeder achte Deutsche ist Hundebesitzer. Damit ist der Hund nach der Katze, die in knapp neun Millionen deutschen Haushalten vertreten ist, das mit Abstand beliebteste Haustier.
Neben den häuslichen Vierbeinern gibt es Blindenhunde, Drogenspürhunde und Therapiehunde. In manchen Schulen werden Hunde als Klassenhunde eingesetzt: Die Lehrer bringen sie mit ins Klassenzimmer, wo die Schüler frei mit ihnen umgehen dürfen – auch während des Unterrichts. Das reduziert Fehlzeiten, da die Kinder sich auf den Schulbesuch freuen. Auch das soziale Gefüge des Klassenverbandes verbessert sich. Verhaltensauffällige Kinder stören weniger, da sie ihre Aufmerksamkeit nun auf den Hund richten können.
In der Sozialarbeit erleichtern Hunde die Kontaktaufnahme, ob im Altersheim oder mit Obdachlosen. Manchmal begleiten sie Frauchen oder Herrchen sogar an den Arbeitsplatz – allerdings nicht immer zur uneingeschränkten Freude aller Kollegen.
Der Hund ist Familienmitglied, Spielkamerad und Alltagsbegleiter. Der französische Philosoph Voltaire bezeichnete ihn 1764 in seinem Philosophischen Wörterbuch als „besten Freund des Menschen”. Doch erst jetzt fangen Wissenschaftler an, die Rolle des Vierbeiners zu ergründen. „Der Hund hat eine Sonderstellung, weil er schon so lange mit dem Menschen zusammenlebt”, sagt Andrea Beetz, Psychologin am Institut für Sonderpädagogik der Universität Rostock.
Zutritt nur für kluge Hunde
Hund und Mensch als ein seit Jahrtausenden eingespieltes Team: Weshalb sie so gut miteinander kommunizieren, wollen Forscher um Ludwig Huber vom Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Wien herausfinden. Dort gibt es das „Clever Dog Lab”, wo Hundebesitzer mit ihren Vierbeinern an wissenschaftlichen Tests teilnehmen.
In ihrem aktuellen Projekt untersuchen die Wiener Forscher, ob Hunde zu Mitgefühl fähig sind. Versteht der Hund sein Herrchen? Weiß er, was sein Frauchen fühlt? Zunächst geht es um die Grundlagen: „Uns interessiert, wie Hunde auf Bilder mit verschiedenen Gesichtsausdrücken reagieren”, berichtet Huber. Dafür verwenden die Forscher einen „Eyetracker” (siehe Fotos rechts) – ein Gerät, das normalerweise die raschen Augenbewegungen von Menschen aufzeichnet. Diese Bewegungen geben Aufschluss darüber, welche Teile eines Bildes jemand betrachtet und wie lange der Blick auf bestimmten Stellen verweilt. Doch während man Menschen darum bitten kann, ruhig zu sitzen und den Kopf nicht zu bewegen, geht das bei einem Hund natürlich nicht.
„Wir mussten die Tiere zunächst darauf trainieren, im Eyetracker stillzustehen. Dafür haben wir einen Stand mit Kissen gebaut, auf den sie ihren Kopf legen können”, erklärt Huber. „Wir wollten nicht, dass die Hunde sich hinlegen müssen. Das Experiment sollte in möglichst natürliches Verhalten eingebettet sein.” Dann zeigten die Forscher den Hunden Bilder von menschlichen Gesichtern mit verschiedenen emotionalen Ausdrücken.
Resultat: Das Blickverhalten von Hunden hängt tatsächlich vom Gesichtsausdruck ab. „Bei negativen Emotionen, zum Beispiel Zorn, schauen die Hunde meist nicht direkt ins Gesicht, sondern nur darum herum und vermeiden vor allem die Augen”, sagt Ludwig Huber. „Bei den fröhlichen Gesichtern schauen sie sofort in die Mitte des Gesichts, vorwiegend auf die Augenregion.” Viele Hunde können demnach erkennen, was der Blick eines Menschen bedeutet.
Schnappen nach dem Konkurrenten
Christine Harris und Caroline Prouvost von der Universität San Diego in La Jolla untersuchten kürzlich das Vorhandensein eines Gefühls, das viele Biologen bislang für rein menschlich hielten: Eifersucht. Im Test sollten 36 Hundebesitzer ihren Vierbeiner ignorieren – entweder indem sie auf ein Buch oder einen Kürbiskopf schauten, oder indem sie sich einem ausgestopften Artgenossen zuwandten. Den hielten die vierbeinigen Probanden für echt, da er bellen und mit dem Schwanz wedeln konnte.
Das Ergebnis: Die Hunde störten sich am meisten an dem vermeintlichen Vierbeiner. 28 der 36 getesteten Hunde versuchten, die Aufmerksamkeit ihres Herrchens auf sich zu lenken, etwa indem sie es mit der Schnauze anstupsten. Der Kürbiskopf hingegen irritierte nur 15 Hunde, das Buch nur 8. Doch das ausgestopfte Tier wurde offensichtlich als Konkurrent gewertet – ein Viertel aller Hunde schnappte sogar nach ihm.
Hundebesitzer überrascht das nicht. Sie sind überzeugt, dass ihr Hund es natürlich merkt, wenn sie traurig sind. Oder sie stellen fest: „Er ist total eifersüchtig! Und wenn er mal wieder den Mülleimer ausgeräumt hat, hat er ein richtig schlechtes Gewissen.” „Das sind nur Anekdoten”, widerspricht James Serpell, Tierethik-Professor an der Universität von Pennsylvania. „Der wissenschaftliche Wert solcher Einzelbeobachtungen ist sehr gering.” Serpell untersucht systematisch, wie sich die Anwesenheit eines Hundes auf das körperliche und emotionale Wohlbefinden des Menschen auswirkt.
Bisherige Studien zeigen: Der Einfluss der Vierbeiner ist durchweg positiv. Ob Hunde den Blutdruck von Kindern verändern können, hatten Forscher um Erika Friedmann – die heute an der Universität von Maryland in Baltimore forscht – bereits in den 1980er-Jahren getestet. In ihrer Studie sollten sich die Kinder ausruhen und dann vor dem Versuchsleiter laut aus einem Buch vorlesen. Keine sehr stressige Aufgabe, trotzdem steigt normalerweise der Blutdruck aufgrund der ungewöhnlichen Situation und der Anwesenheit des Versuchsleiters. Aber: Bei einem Hund im Raum war der Blutdruck der Kinder niedriger. Friedmann und ihre Kollegen gingen davon aus, dass den Kindern aufgrund des Hundes die Situation und der Versuchsleiter angenehmer und weniger bedrohlich erschienen.
Der Puls schlägt ruhiger
Schwedische Forscher kümmerten sich darum, wie sich Streicheln auf den Herzschlag des Menschen auswirkt. Nachdem Hundebesitzerinnen drei Minuten lang ihren Hund gekrault hatten, wurde ihr Puls aufgezeichnet. Das Ergebnis: Noch eine Stunde später war er niedriger als bei einer Kontrollgruppe. Ein Effekt, der ohne Pharmaka-Einnahme zustande kam.
Um herauszufinden, wie sich die Anwesenheit eines Hundes in Stresssituationen auswirkt, dachte sich die Psychologin Kirsten Jacobsen von der Universität Chicago einen perfiden Stresstest aus. Dabei wird eine Person in einen Raum mit drei „Richtern”, einem Aufnahmegerät und einer Videokamera geführt, um dort eine kurze Präsentation vorzubereiten. Dafür bekommt der Proband Stift und Papier für Notizen, und die „Richter” sehen ihn bei seinen Vorbereitungen unverwandt an. Wenn der Versuchsteilnehmer mit der Präsentation beginnt, werden ihm seine Notizen unerwartet weggenommen. Danach ist Kopfrechnen an der Reihe – es gilt, in 13er-Schritten ab 1022 herunter zu zählen, also: 1022, 1009, 996, 983 und so weiter. Hat sich der Proband verrechnet, muss er mit der Zählerei von vorn anfangen. Kein Wunder, dass die Herzfrequenz steigt und das Stresshormon Kortisol ausgeschüttet wird.
Jacobson teilte 120 Probanden in drei Gruppen ein: Die erste Gruppe absolvierte den Stresstest, die zweite beschäftigte sich nach dem Test drei Minuten lang mit einem Hund, die dritte Gruppe hatte drei Minuten vor dem Test mit einem Hund zu tun. Natürlich waren die Teilnehmer aller drei Gruppen gestresst. Doch relativ am meisten entspannt war jene Gruppe, die sich vor dem Test mit dem Hund beschäftigt hatte. Das ließ sich direkt nach dem Test und sogar noch 35 Minuten später anhand der Konzentration des Stresshormons Kortisol im Speichel nachweisen. Zwischen den beiden Kontrollgruppen gab es keine Unterschiede.
Andrea Beetz und ihre Kollegen verwendeten eine kindgerechte Version dieses sogenannten Trierer Tests. Statt ein Job-Interview zu führen, sollten die Kinder eine Geschichte weiter erzählen. Während des Tests erhielten die Kinder Unterstützung – entweder durch eine freundliche Begleitperson oder durch einen Hund. Anhand der Kortisol-Konzentration wies Beetz nach, dass die Kinder umso weniger gestresst waren, je länger sie direkten Körperkontakt mit dem Hund gehabt hatten. Und: Der Hund hatte einen deutlich positiveren Effekt als die freundliche Begleitperson.
„Die beste Art, Stress zu regulieren, ist, ‚social support‘ zu bekommen, also soziale Unterstützung”, erklärt Andrea Beetz das Ergebnis ihrer Studie. „Dazu gehört auch Körperkontakt. Und das fällt mit einem Hund sehr viel leichter, weil er nicht den menschlichen Normen unterliegt.” Einem fremden Menschen streicht man nicht einfach durch die Haare – bei einem Hund hat man damit kein Problem.
Langfristig gesünder
Der Kontakt zu einem Hund kann die Gesundheit sogar langfristig positiv beeinflussen, wie eine Umfrage australischer Forscher um Bruce Headey unter 1000 Australiern zeigte. Hundebesitzer (und auch Katzenbesitzer) gehen demnach seltener zum Arzt und nehmen weniger Schlafmittel. Ähnliches ergab eine Umfrage unter 3000 Chinesinnen, stellte Headey fest. Bis 1992 war Hundebesitz in chinesischen Städten verboten. Nachdem man das Verbot aufgehoben hatte, stieg die Zahl der Hundebesitzer rapide. Die Umfrage besagte: Frauen mit Hund trieben mehr Sport und hatten weniger Fehltage am Arbeitsplatz als Frauen ohne Hund. Allerdings: Es lässt sich nicht ausschließen, dass sich Hundebesitzerinnen von vornherein psychisch vom Rest der weiblichen Bevölkerung unterscheiden.
Ein weiterer Befund: Hundebesitzer nehmen seltener Medikamente gegen Herz- und Gefäßerkrankungen ein – und ein Jahr nach einem Herzinfarkt hatten mehr Hundebesitzer überlebt als Katzenbesitzer oder als Menschen ohne jegliches Haustier, wie Erika Friedmann und ihre Kollegen herausfanden.
Hunde als Stressregulierer, als Blutdrucksenker, als Therapeuten bei Herz- und Kreislaufproblemen: Auffällig ist, dass viele dieser Effekte auch bei der Ausschüttung von Oxytocin im Körper auftreten. Das „Kuschelhormon” wird unter anderem beim Stillen freigesetzt, bei angenehmem Körperkontakt mit einem vertrauten Menschen und beim Sex. Oxytocin wirkt beruhigend und führt zu verbesserter Wundheilung. Wird es dem Körper künstlich zugeführt, senkt es mehrere Stunden lang den Blutdruck und die Herzfrequenz. Andrea Beetz ist überzeugt: Hunde aktivieren bei ihren Bezugspersonen das Oxytocin-System mit all seinen Wirkungen.
Das passt zu den Ergebnissen einer Studie, die südafrikanische Forscher um Johannes Odendaal 2003 durchgeführt haben. Sie maßen den Oxytocin-Spiegel von Probanden, die einen fremden oder ihren eigenen Hund streichelten. In beiden Fällen war ein Anstieg der Konzentration des Kuschelhormons zu beobachten – und der Effekt war bei dem eigenen Hund stärker als bei einem fremden.
All diese Befunde erklären, warum sich Hunde so gut zu therapeutischen Zwecken und in der Sozialarbeit einsetzen lassen. Inzwischen besuchen manche von ihnen sogar die Universität. In der stressigen Prüfungszeit werden an der US- amerikanischen Universität Richmond Hunde auf den Campus geholt – damit die Studenten sie streicheln und mit ihnen spielen können. •
Franziska Konitzer hat zwar selbst keinen Hund. Sie freut sich aber immer, wenn sie einen streicheln kann.
Von Franziska Konitzer