Igitt Schleim! Die glibbrige Substanz hat kein gutes Image – doch zu Unrecht, wie nun eine Studie erneut verdeutlicht: Der Schleim schützt unseren Körper demnach vor Infektionen, indem er potenzielle Krankheitserreger nicht nur fernhält, sondern sie auch durch bestimmte Inhaltsstoffe besänftigt.
Schnecke, Fisch und Co – doch auch der Mensch ist ein ausgesprochener Schleimer: Wir produzieren täglich mehrere Liter der zähen Flüssigkeiten und über 200 Quadratmeter unseres Körpers sind mit Schleim ausgekleidet. Von der Nase, über den Mund und über das ganze Verdauungssystem hinweg gibt es die glitschigen Schichten und auch in der Lunge und den Harnwegen spielt Schleim eine wichtige Rolle. Er sorgt für Rutscheffekte und schützt die empfindlichen Oberflächen vor Austrocknung, Schmutz und Krankheitserregern. Andererseits bietet er aber auch den guten Mikroben in unseres Körpers ein Zuhause.
Lange ging man davon aus, dass die Rolle des Schleims bei der Abwehr von Infektionen auf der Barrierewirkung beruht: Mikrobielle Bösewichte bleiben in der zähen Substanz hängen und können dadurch keinen weiteren Schaden anrichten. Doch aus Studien der letzten Jahre geht bereits hervor, dass Schleim nicht nur physikalischen Schutz bietet, sondern auch pharmakologischen. Wirkstoffe, die für diesen Effekt verantwortlich sein könnten, gibt es im Schleim reichlich. Im Rahmen ihrer aktuellen Studie haben sich die Forscher um Katharina Ribbeck vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge nun auf die Wirkung einer bestimmten Gruppe von speziellen Zuckermolekülen im menschlichen Schleim konzentriert: der sogenannten Glycane. Sie heften sich an die Mucine, die wiederum für die gelartige Konsistenz des Schleims verantwortlich sind.
Schleimstoffe wirken entwaffnend
Als Versuchsbakterium diente den Wissenschaftlern das Bakterium Pseudomonas aeruginosa. Dabei handelt es sich um einen sogenannten opportunistischen Erreger, der normalerweise ungefährlich ist, aber bei Gelegenheit „bösartig“ werden kann: Bei Mukoviszidose-Patienten und Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann Pseudomonas aeruginosa schwerwiegende Infektionen verursachen. Für ihre Untersuchung isolierten die Wissenschaftler Glycane aus Schleim und setzten sie den Pseudomonas-Bakterien aus.
Wie sie berichten, zeigten die Mikroben interessante Reaktionen: Sie wurden durch die Behandlung mit den Glycanen gleichsam besänftigt und dadurch für den Wirt weniger problematisch. Zum Beispiel produzierten sie keine Gifte mehr, heften sich nicht an Wirtszellen an und schalteten keine Gene mehr an, die für die Kommunikation unter den Bakterien wichtig sind und zur Bildung von Biofilmen führen.
Diese entschärfenden Wirkungen hatten auch erhebliche Konsequenzen für die Fähigkeit der Bakterien, Infektionen hervorzurufen, stellten die Forscher fest. Sie konnten zeigen, dass die Behandlung von durch Pseudomonas-Bakterien infizierte Verbrennungswunden mit Mucin-Glycanen das Bakterienwachstum verringert. Diese Wirkung legt somit ein therapeutisches Potenzial der Wirkstoffe nahe, betonen die Forscher.
Ziel: Künstlicher Schleim für die Medizin
Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse wollen die Wissenschaftler nun weiter am Ball bleiben. Bei den aktuellen Experimenten verwendeten sie Sammlungen der vielen unterschiedlichen Glycane im Schleim – nun planen sie hingegen die Auswirkungen spezieller Glycan-Versionen zu untersuchen, die spezifisch mit verschiedenen Signalwegen oder verschiedenen Mikroben interagieren. Auch die Wirkung auf weitere potenzielle Erreger wollen sie testen. Sie haben bereits begonnen, die Rolle von Glycanen bei der Kontrolle von Streptococcus und Infektionen mit dem Pilz Candida albicans auszuloten.
Die Forscher hoffen, dass ihre Ergebnisse letztlich zur Entwicklung von künstlichem Schleim führen, der eine neue Möglichkeit zur Behandlung von Krankheiten bieten könnte. Das Potenzial des Schleims liegt dabei auch in einem Einsatz als ergänzende Strategie bei Antibiotikabehandlungen, weil er ein anderes Wirkprinzip hat. “Was wir hier sehen, ist, dass die Natur die Fähigkeit entwickelt hat, schwierige Mikroben zu entwaffnen, anstatt sie abzutöten. Dies würde nicht nur dazu beitragen, den selektiven Druck bei der Entwicklung von Resistenzen zu begrenzen, sondern die Behandlung könnte auch helfen, eine gesunde Bakteriengesellschaft zu schaffen und zu erhalten”, sagt Ribbeck.
Sie vermutet, dass Glykane im Schleim auch eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung der Zusammensetzung dieser Mikrobengemeinschaften spielen. Viele dieser Lebewesen sind sehr vorteilhaft für ihre menschlichen Wirte und möglicherweise liefern ihnen Glykane Nährstoffe, die sie benötigen, oder sie helfen ihnen auf andere Weise, erklärt Ribbeck. “Dies ist ein Konzept, das möglicherweise in vielen Systemen vorliegt, in denen das Ziel darin besteht, Mikroben-Gemeinschaften innerhalb des Körpers günstig zu beeinflussen”, sagt die Wissenschaftlerin abschließend.
Quelle: Massachusetts Institute of Technology, Fachartikel: Nature Microbiology, doi: 10.1038/s41564-019-0581-8