Mit zunehmendem Alter nehmen sie auf dem Kopf immer mehr Raum ein: Geheimratsecken. Vor allem Männer leiden häufig unter diesen Symptomen des altersbedingten Haarverlusts – doch wirksame Mittel dagegen sind bisher rar. Nun aber haben Forscher einen vielversprechenden Wirkstoff entdeckt: Sandelholzduft. Demnach aktiviert dieses Aroma bestimmte Rezeptoren in den Haarfollikeln und regt dadurch merklich das Haarwachstum an.
Riech-Sinneszellen sitzen nur in der Nase? Mitnichten! Inzwischen wissen Forscher, dass Duftsensoren auch an ganz anderen Stellen des Körpers vorkommen – zum Beispiel in den Bronchien, im Darm und sogar in männlichen Spermien. Auch unsere Haare können riechen, wie Jérémy Chéret vom Monasterium Laboratory in Münster und seine Kollegen nun festgestellt haben. Genauer gesagt: unsere Haarfollikel. Diese die Haarwurzeln umgebenden Strukturen dienen zur Verankerung der Haare in der Haut und beherbergen in ihrer äußersten Schicht offenbar bestimmte Riechrezeptoren.
Konkret fanden die Wissenschaftler bei ihren Untersuchungen Rezeptoren des Typs OR2AT4 in den Haarfollikeln. Das Interessante daran: Frühere Studien haben gezeigt, dass dieser Rezeptor auf synthetisches Sandelholzaroma reagiert – einen Duft, der häufig in Räucherstäbchen sowie in manchen Parfüms vorkommt. Seine Aktivierung kann in der Haut die Zellvermehrung anregen und so zum Beispiel die Wundheilung fördern. Würden sich ähnliche Effekte auch in den Haarfollikeln zeigen? Um dies herauszufinden, isolierten die Forscher Haarfollikel aus Proben menschlicher Kopfhaut und behandelten diese sechs Tage lang mit dem Sandelholz-Duftstoff Sandalore.
Verlängerte Wachstumsphase
Es zeigte sich: Die duftende Stimulation hatte auf die Haarfollikel eine deutliche Wirkung. Demnach steigerte die Behandlung die Produktion des Wachstumsfaktors IGF-1, wodurch sich die sogenannte anagene Phase des Haares um etwa 30 Prozent verlängerte – jene Phase, in der das Haar wächst, bevor es ruht und schließlich ausfällt. Wie Chéret und seine Kollegen berichten, starben in Folge signifikant weniger Haarzellen ab. Umgekehrt führte die gezielte Hemmung des OR2AT4-Rezeptors zu vermindertem Haarwachstum. “Dies legt nahe, dass menschliche Haarfollikel auf OR2AT4-vermittelte Signalwege angewiesen sind, um das Haarwachstum aufrechtzuerhalten”, schreiben die Wissenschaftler.
Diese Erkenntnis könnte neue Hoffnung für all jene Menschen bedeuten, die unter altersbedingten Geheimratsecken oder gar einer sich anbahnenden Glatze leiden. “Aufgetragen auf die Kopfhaut, könnten kosmetische Produkte mit Sandalore das Haarwachstum anregen und vorzeitigem Haarausfall vorbeugen”, konstatiert das Team. Klinische Studien müssen nun zeigen, ob der Sandelholzduft auch im Praxistest mit Betroffenen bestehen kann. Viele Männer würde das freuen.
Quelle: Jérémy Chéret (Monasterium Laboratory, Münster) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-018-05973-0