DIE ERSTE ANFRAGE kam aus Argentinien – von einer bild der wissenschaft-Leserin: Ob der Dermaroller auch nach Südamerika verschickt würde? Eine Meldung in Heft 9/2001 („Schönere Haut durch Nadelstiche”) über eine neue Wunderwaffe gegen Hautalterung hatte ihr Interesse geweckt. Horst Liebl, der Adressat der Anfrage, war angenehm überrascht: Gerade hatte der aus Stuttgart stammende Wahl-Elsässer in bild der wissenschaft über die Schwierigkeiten berichtet, die Fachleute in Kosmetik- und Pharmaindustrie von seiner Erfindung zu überzeugen. Da war es ermutigend, dass bereits eine Interessentin den Finger hob.
Der Dermaroller sieht wie eine sehr kleine Malerrolle aus, nur dass die zwei Zentimeter lange Walze mit 192 winzigen Stahlnadeln besetzt ist. Führt man ihn nach dem Auftragen einer Salbe oder Creme über die Haut, perforieren seine Nadeln die zähe äußerste Hautschicht, das Stratum corneum. So wird die Schicht durchlässiger. Die nur 0,15 Millimeter langen Nadeln sind zu kurz, um Schmerzen zu verursachen und die Hautkanäle klein genug, um sich nach zehn Minuten wieder zu schließen. Das Infektionsrisiko ist daher minimal. Dass das Ganze wirklich funktioniert und gesundheitlich unbedenklich ist, hatte Liebl sich von einem Fachmann bestätigen lassen: Zwei Studien des Professors für Pharmazeutische Technologie Alfred Fahr – damals an der Universität Marburg, heute in Jena – bewiesen, dass die Wirkstoff-Einschleusung nach der Mikroperforation um bis zu 1200 Prozent steigt.
Nach der ersten Bestellung aus Argentinien trudelten immer mehr Anfragen von einzelnen Kunden ein. „Ich habe erst mal abgewartet, die Dermaroller in einer Kleinserie gefertigt und per Nachnahme verschickt”, erklärt Liebl. „Doch als aus einzelnen Versandexemplaren ganze Körbe wurden, kam ich ins Grübeln.” Der Tüftler entschied sich, nun ernsthaft in seine Erfindung zu investieren. Der Mut zahlte sich aus: „Der große Erfolg kam zuerst in Asien, wahrscheinlich, weil Nadeln dort nicht mit so viel Skepsis betrachtet werden”, berichtet er. „Heute verkaufen wir den Dermaroller in fast 50 Ländern.”
Liebl und sein Stiefsohn Michael Tomerius produzieren die Geräte jetzt in Wolfenbüttel. Für den Vertrieb in Deutschland kooperiert er inzwischen mit der Firma Medicos in Telgte. Im April 2008 stellte der Dermatologe Klaus Fritz den Dermaroller auf einer Fachtagung in Frankenthal erstmals offiziell seinen Fachkollegen vor. Gudrun Hams-Köster, die Marketingleiterin von Medicos, schätzt, dass mittlerweile rund zehn Prozent der deutschen Hautärzte Liebls Erfindung gekauft haben. Das für circa 90 Euro von Medizinern erwerbbare Gerät unterscheidet sich von dem etwas billigeren für den Hausgebrauch: Es ist nur für einmalige Benutzung gedacht und hat deutlich längere Nadeln. Bei Experimenten mit längeren Nadeln stellte sich nämlich heraus, dass Zellen in der unteren Hautschicht durch eine Behandlung mit dem Dermaroller zur Teilung angeregt werden.
„Es ist erwiesen, dass neues Kollagen gebildet wird”, nennt der Freiburger Facharzt für Plastische Chirurgie Martin Schwarz das Ergebnis eigener Untersuchungen. Kollagen- und Elastinfasern bilden das Grundgerüst des Bindegewebes. Die „ Kollagen-Induktionstherapie” getaufte Methode hat sich bei der Behandlung von Fältchen, Narben und Pigmentstörungen so durchgesetzt, dass 90 Prozent aller verkauften Dermaroller an Ärzte gehen. Liebl indes tüftelt schon an der nächsten Erfindung: dem „Dermastamp”. Damit will er in schwer zugänglichen Narben die Gewebe-Regeneration ankurbeln. Außerdem soll der Dermastamp zum Einschleusen von Wirkstoffen durch die Haut dienen – die begleitende Forschung ist bereits angelaufen. Livia Rasche■