Zunehmend kommt es in Deutschland zu Infektionen mit dem infektiösen Hefepilz Candida auris. Im Jahr 2023 erfasste das Nationale Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen bundesweit 77 Fälle, in denen geschwächte Menschen mit dem Erreger besiedelt oder infiziert waren – sechsmal so viele wie in den Jahren zuvor. Verantwortlich waren vor allem drei Ausbrüche in Krankenhäusern. Um die weitere Ausbreitung des Pilzes einzudämmen, fordern Forschende eine umfassendere Meldepflicht.
Erst vor wenigen Jahren wurde der infektiöse Hefepilz Candida auris erstmals beschrieben. Entdeckt 2009 in Japan, breitet er sich zunehmend weltweit aus. Gefährlich ist er vor allem für geschwächte Menschen in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Invasive Pilzinfektionen können unter anderem zu Blutvergiftungen, Wundinfektionen und Entzündungen an Prothesen führen und potenziell tödlich enden. Da Candida auris gegen die meisten gängigen Desinfektions- und Antipilzmittel resistent ist, lassen sich Infektionen nur schwer behandeln. Zudem ist besondere Vorsicht geboten, damit der Pilz nicht durch Schmierinfektion von Mensch zu Mensch weiterverbreitet wird.
Mehr Nachweise als in den Vorjahren
In Deutschland hat das Nationale Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen im Jahr 2023 insgesamt 77 Fälle erfasst. Das berichtet ein Team um Alexander Aldejohann von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Demnach waren 58 Personen lediglich von dem Pilz besiedelt, bei 13 kam es zu einer Infektion. Für sechs Fälle lagen keine weiteren Informationen vor. Die häufigsten invasiven Infektionen betrafen Wund- und Gewebeinfektionen, gefolgt von Blutvergiftungen und Infektionen an Kathetern. In zwei Fällen kam es zu Entzündungen an Prothesen.
Damit wurde der Pilz innerhalb eines Jahres häufiger nachgewiesen als jemals zuvor in Deutschland. Seit den ersten Meldungen im Jahr 2015 gab es bis 2022 insgesamt 39 Fälle, davon jeweils zwölf in den Jahren 2021 und 2022. „Der enorme Anstieg 2023 hat uns überrascht“, sagt Aldejohann. „Ausschlaggebend sind hier vor allem auch Ausbruchsgeschehen in Krankenhäusern. Wenn diese nicht frühzeitig erkannt und adäquat bekämpft werden, sind sie später sehr schwer in den Griff zu bekommen.“ Neben 28 Fällen, bei denen keine direkte Ansteckung erfasst wurde, ließen sich 49 Fälle einem von insgesamt vier Ausbrüchen zuordnen.
Ausbruch durch spät diagnostizierten Fall
Am schwerwiegendsten war ein Ausbruch in einem Krankenhaus Ende 2023 mit mindestens 42 Infizierten. Der Ausbruch ging von einer Person mit einer Ohrenentzündung aus, bei der erst spät Candida auris als Ursache identifiziert wurde. Dadurch konnte sich der Erreger zunächst ungehindert ausbreiten, sodass auf mehreren weiteren Stationen des Krankenhauses Fälle auftraten. Während die meisten Patienten nur asymptomatisch von dem Pilz besiedelt wurden, kam es auch zu zwei Protheseninfektionen und einer Blutstrominfektion. Bei den anderen registrierten Ausbrüchen wurde Candida auris schneller diagnostiziert, sodass sich jeweils nur ein bis zwei Personen ansteckten. Todesfälle gab es bislang in Deutschland nicht.
Seit Juli 2023 sind invasive Candida auris Infektionen in Deutschland meldepflichtig. Die Forschenden gehen jedoch davon aus, dass der beobachtete Anstieg der Nachweise nicht auf eine verbesserte Erfassung zurückzuführen ist, sondern eine tatsächlich zunehmende Verbreitung von Candida auris widerspiegelt. Der überwiegende Teil der 2023 registrierten Fälle unterlag gemäß der aktuellen Gesetzgebung nicht der Meldepflicht. Diese gilt bisher nur für Nachweise von Candida auris im Blut und weiteren sterilen Materialien wie Liquorproben. Besiedlungen mit dem Pilz müssen hingegen nur dann gemeldet werden, wenn sie eine Folge von Übertragungen in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen sind.
Plädoyer für umfassendere Meldepflicht
Vor dem Hintergrund des zu beobachtenden Anstiegs von Infektionen schlägt das Forschungsteam vor, eine generelle Meldepflicht für alle Fälle von Candida auris in Erwägung zu ziehen. Auf diese Weise könnten auch Besiedlungen, die zunächst nicht klinisch relevant sind, frühzeitig erkannt werden, sodass sich eine weitere Ausbreitung verhindern lässt. Generelle Candida auris Screenings seien dagegen angesichts der bisher vergleichsweise geringen Fallzahlen noch nicht notwendig.
„Wir müssen davon ausgehen, dass die Candida auris-Fälle in Deutschland – so wie in anderen Ländern auch – weiter zunehmen“, sagt Aldejohanns Kollege Oliver Kurzai. „Je länger wir das verzögern können, umso besser. Eine allgemeine gesetzliche Meldepflicht für jeden Labornachweis von Candida auris könnte hier helfen – und zwar insbesondere in der jetzigen Phase, wo die Fallzahlen noch sehr niedrig sind.“
Quelle: Alexander Aldejohann (Julius-Maximilians-Universität Würzburg) et al., Epidemiologisches Bulletin, doi: 10.25646/12004