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„Phantom-Riechen“ für die Hirnforschung

Gesundheit|Medizin

„Phantom-Riechen“ für die Hirnforschung
Forscher haben die neuronalen Mechanismen der Geruchswahrnehmung an "speziellen" Mäusen untersucht. (Bild: yellowsarah/iStock)

Wie werden Gerüche im Gehirn verarbeitet und unterschieden? Durch optogenetische Verfahren haben Forscher nun künstliche Geruchseindrücke im Gehirn von Mäusen erzeugt und damit Einblicke in die neuronalen Mechanismen des Riechens gewonnen. Sie konnten zeigen, welche Aspekte der Nervenaktivität für die Unterscheidung zwischen verschiedenen Gerüchen wichtig sind.

Wir gelten nicht gerade als Superspürnasen – doch auch für den Menschen hat der Geruchssinn eine wichtige Bedeutung. Er warnt uns vor „stinkenden“ Gefahren, wie verdorbener Nahrung, ermöglicht aber auch angenehme Erfahrungen: Lust und Freude sind ebenfalls mit dem Nasen-Sinn verknüpft. Menschen, die unter einem Verlust der Riechfähigkeit leiden, einer sogenannten Anosmie, bekommen diese oft subtile Bedeutung zu spüren. Im Zuge der Corona-Pandemie hat das Thema Geruchssinn aus zwei unterschiedlichen Gründen weitere Aufmerksamkeit erhalten: Ein charakteristisches Frühsymptom von Covid-19 ist der Verlust des Geruchssinns, haben Studien gezeigt. Aus anderen Untersuchungen geht wiederum hervor, dass Hunde die Infektion beim Menschen erschnüffeln können. Denn Corona-Patienten entwickeln offenbar einen charakteristischen Geruch, den die Vierbeiner mit ihren feinen Nasen identifizieren können.

„Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung eines besseren Verständnisses der Mechanismen der Geruchswahrnehmung deutlich“, sagt Edmund Chong vom Neuroscience Institute NYU Langone Health in New York. „Die Forschung könnte zu Behandlungsverfahren oder zu Instrumenten der Erkennung von Krankheiten führen“, so der Wissenschaftler. Er und seine Kollegen beschäftigen sich mit der neuronalen Verarbeitung von Geruchseindrücken im Riechzentrum des Gehirns von Säugetieren – dem sogenannten Riechkolben.

Ein Geruch ist wie eine Melodie

Frühere Studien haben gezeigt, dass Geruchsmoleküle Rezeptorzellen in der Nase zu elektrischen Signalen veranlassen, die an spezielle Nervenbündel (Glomeruli) im Riechkolben gesendet werden. Es ist bekannt, dass der Zeitpunkt und die Reihenfolge der Glomeruli-Aktivierung für einen jeweiligen Geruch einzigartig ist. Konkret: Rosenduft erzeugt beispielsweise eine deutlich andere Signatur der Glomeruli-Aktivierung als etwa Schweißgeruch. Die Signale werden von den Glomeruli aus anschließend an die Hirnrinde weitergeleitet, wo die Reaktionen oder Erinnerungen im Zusammenhang mit dem Geruch aktiviert werden.

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Wie die Forscher erklären, kann man sich die Geruchssignatur an den Glomeruli wie eine Melodie vorstellen. Die Reihenfolge der Noten und ihre Klangdauer führt dazu, dass wir eine bekannte Melodie erkennen. Analog dazu führt das Muster der Aktivierung der Glomeruli zum Erkennen eines Geruchs. Im Rahmen der Studie sind die Forscher nun der Frage nachgegangen, ab welchem Grad der Veränderung des Musters ein Geruch noch erkennbar ist. Übertragen auf das Bild der Melodie entspricht dies einer Veränderung der Reihenfolge oder der Länge der Töne – bis wir sie nicht mehr als bekannt identifizieren können.

Für ihre Studie nutzten die Forscher Mäuse aus einer genetisch veränderten Zuchtlinie, deren Hirnzellen sich gezielt aktivieren lassen: Sie reagieren auf feine Lichtimpulse – eine Technik, die als Optogenetik bezeichnet wird. So ist es möglich, über die Impulse im Riechkolben der Tiere künstlich das Muster einer Geruchswahrnehmung auszulösen. Die Forscher trainierten ihre Versuchstiere zunächst darauf, ein auf der Lichtaktivierung von sechs Glomeruli basierendes Signal mit einer Belohnung zu verknüpfen: Wenn sie diesen „Phantom-Geruch“ wahrnahmen, drückten sie einen Hebel und bekamen etwas zu trinken.
Wenn sie den Hebel nach der Aktivierung eines anderen Satzes von Glomeruli betätigten – also nach der Simulation eines anderen Geruchs – gab es hingegen keine Belohnung.

Was definiert eine bestimmte Geruchssignatur?

Nach dem Training veränderten die Forscher das Timing und die Mischung der Glomeruli-Aktivierung, um festzustellen, inwieweit die Mäuse die Reize noch als den Signal-Geruch interpretierten. So zeigte sich: Wenn sie das Anfangssignal innerhalb jedes geruchsbestimmenden Glomeruli-Sets veränderten, kam es zu einer 30-prozentigen Abnahme der Fähigkeit der Mäuse, das Geruchssignal als den bekannten Auslöser zu interpretieren. Die Veränderungen der letzten Glomeruli in jedem Satz führten hingegen nur zu einem Rückgang der genauen Geruchswahrnehmung um fünf Prozent. Dies entspricht somit den Anfangs- beziehungsweise Endnoten einer Melodie, erklären die Wissenschaftler.

“Jetzt, da wir ein Modell zur Aufschlüsselung des Zeitpunkts und der Reihenfolge der Glomeruli-Aktivierung haben, können wir die minimale Anzahl und Art von Reizen untersuchen, die der Riechkolben benötigt, um einen bestimmten Geruch zu identifizieren”, fasst Co-Autor Dmitry Rinberg zusammen. “Dies bringt uns der Antwort auf die in unserem Fachgebiet seit langem gestellte Frage näher, wie das Gehirn sensorische Informationen extrahiert, um Verhalten hervorzurufen“, sagt der Wissenschaftler abschließend.

Quelle: Neuroscience Institute NYU Langone Health, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.aba2357

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