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Neues Antibiotikum aus Bodenbakterien entschlüsselt

Medizin

Neues Antibiotikum aus Bodenbakterien entschlüsselt
In den Gläsern befinden sich verschiedene Zielstrukturen für die Untersuchung der Wirkung von Clovibactin. © Gregor Hübl/Uni Bonn

Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien zählen zu den führenden Todesursachen weltweit. Nun haben Forschende ein potenzielles neues Antibiotikum identifiziert, gegen das bislang keine Resistenzen bekannt sind. Der Wirkstoff Clovibactin stammt aus einem Bodenbakterium, das zuvor noch nicht im Labor kultiviert wurde. Es greift Grundbausteine der bakteriellen Zellwand an und konnte in Versuchen an Mäusen Infektionen mit Staphylokokkus aureus wirksam bekämpfen. Aus Sicht der Forschenden könnten sich weiterentwickelte Varianten des Antibiotikums für den Einsatz beim Menschen eignen.

Verschiedene Bakterien und Pilze erzeugen in der Natur antimikrobielle Substanzen, um sich gegen Feinde durchzusetzen. Diese natürlichen Antibiotika können Bakterien je nach Wirkmechanismus in ihrer Vermehrung hemmen oder sie abtöten, beispielsweise indem sie ihre Zellwand auflösen. Mit der Zeit entwickeln sich aber sowohl in der Natur, als auch beim medizinischen Einsatz von Antibiotika Resistenzen. Insbesondere multiresistente Keime, gegen die eine Vielzahl der bekannten Antibiotika wirkungslos ist, sind jedes Jahr für Millionen Todesfälle weltweit verantwortlich. Auf der Suche nach neuen Antibiotika, gegen die noch keine Resistenzen bestehen, setzen Forschende zum einen auf synthetische Substanzen. Zum anderen suchen sie in der Natur nach bislang unentdeckten Wirkstoffen. Ein Problem dabei ist allerdings, dass sich viele potenziell relevante Mikroorganismen nur schwierig im Labor kultivieren lassen.

Robust gegen Resistenzentwicklung

In einem solchen zuvor als unkultivierbar geltenden Bakterium hat nun ein Team um Rhythm Shukla von der Universität Utrecht in den Niederlanden ein potenzielles neues Antibiotikum entdeckt. „Wir brauchen dringend neue Antibiotika, um Bakterien zu bekämpfen, die zunehmend gegen die meisten klinisch verwendeten Antibiotika resistent werden“, sagt Shuklas Kollege Markus Weingarth. Fündig wurde das Team im Bodenbakterium Eleftheria terrae subspezies carolina aus einer Bodenprobe in North Carolina in den USA. Mithilfe eines speziell entwickelten Chips, der es ermöglicht, die Bakterien in ihrer natürlichen Bodenumgebung zu züchten, gelang es dem Team, E. terrae zu kultivieren und seine antibakterielle Substanz zu isolieren: das Antibiotikum Clovibactin.

„Da Clovibactin aus Bakterien isoliert wurde, die vorher nicht gezüchtet werden konnten, haben pathogene Bakterien ein solches Antibiotikum noch nie gesehen und hatten keine Zeit, eine Resistenz zu entwickeln“, erklärt Weingarth. Durch Studien an verschiedenen Zelllinien stellten die Forschenden fest, dass Clovibactin drei verschiedene Moleküle angreift, die für den Aufbau der Zellwand von Bakterien unverzichtbar sind. „Der Multi-Target-Angriffsmechanismus von Clovibactin blockiert die bakterielle Zellwandsynthese gleichzeitig an verschiedenen Stellen“, erklärt Co-Autorin Tanja Schneider von der Universität Bonn. „Das verbessert die Aktivität des Medikaments und erhöht seine Robustheit gegenüber Resistenzentwicklungen erheblich.“

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Käfig um die Zielstruktur

Den Ergebnissen zufolge bindet Clovibactin mit hoher Spezifität an sogenannte Pyrophosphatgruppen, einen unveränderlichen Bestandteil der Zielmoleküle. Da das Antibiotikum die Pyrophosphatgruppe wie ein Käfig umschließt, wählten die Forschenden den Namen Clovibactin in Anlehnung an das griechische Wort Klouvi für Käfig. Nach der Bindung mehrerer Clovibactin-Moleküle verbinden sich diese zu stabilen Fibrillen, die die Zielmoleküle so lange einschließen, wie es für die Abtötung der Bakterien erforderlich ist. „Da Clovibactin nur an den unveränderlichen, konservierten Teil seiner Ziele bindet, wird es den Bakterien viel schwerer fallen, eine Resistenz dagegen zu entwickeln“, sagt Weingarth. „Tatsächlich haben wir in unseren Studien keine Resistenz gegen Clovibactin beobachtet.“

Erste Wirksamkeitstests führte das Forschungsteam mit Mäusen durch, die mit dem Bakterium Staphylokokkus aureus infiziert wurden. Dabei tötete Clovibactin die Bakterien ähnlich gut ab wie das Reserve-Antibiotikum Vancomycin, das derzeit zu den wichtigsten Mitteln gegen schwere bakterielle Infektionen zählt. „Clovibactin hat daher Potenzial für die Entwicklung verbesserter Therapeutika, die bakterielle Krankheitserreger ohne Resistenzentwicklung abtöten“, sagt Weingarth. Bevor das Antibiotikum allerdings tatsächlich beim Menschen eingesetzt werden kann, müssen weitere Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit folgen. „Bis es auf den Markt kommen kann, ist es noch ein weiter Weg“, sagt Schneider.

Quelle: Rhythm Shukla (Universität Utrecht, Niederlande) et al., Cell, doi: 10.1016/j.cell.2023.07.038

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