Winterzeit ist Durchfallzeit. Dann hat das Norovirus Hochsaison. Das für Virusüberwachung zuständige Robert-Koch- Institut in Berlin geht pro Winter bundesweit von einer Million Fällen aus. Keine andere meldepflichtige Erkrankung ist häufiger. Dabei war das Virus noch vor zehn Jahren ein echter Exot, den die meisten Mediziner nur aus dem Lehrbuch kannten.
Etwa zwei Tage nach der Infektion tritt extrem wässriger Durchfall auf, teilweise kombiniert mit schwallartigem Erbrechen. Dazu kommen Bauch-, Kopf- und Muskelschmerzen sowie ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl. Die Übertragung erfolgt durch infektiösen Stuhl oder Erbrochenes – teilweise sogar über den Luftweg durch feinste Wassertröpfchen, die beim Erbrechen entstehen. Der Körper bildet nur wenige Antikörper gegen die Viren. Deshalb ist schon nach wenigen Wochen eine erneute Infektion möglich.
Was macht den Erreger so tückisch? „Ein Norovirus hält sich beispielsweise an einer Türklinke bei 20 Grad bis zu sieben Tage lang”, erklärt Axel Kramer vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Universität Greifswald. Diese Hartnäckigkeit ist besonders in Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen ein Problem. Schon manche Abteilung musste dichtmachen, weil sich das Personal fast geschlossen krank gemeldet hatte. In anderen Kliniken wurde der Platz knapp, weil man die Patienten, die sich im Krankenhaus infiziert hatten, in Einzelzimmern unterbringen musste, um die Ansteckungskette zu unterbrechen. Doch die strengen Auflagen nützen oft wenig, weil das Virus gegen die üblichen Desinfektionsmittel immun ist. „Selbst wenn alle Hygienevorschriften eingehalten werden, können sich die Erreger weiter ausbreiten”, sagt Axel Kramer. In seiner Klinik wurden deshalb „Notfallboxen” mit einem Spezialdesinfektionsmittel aufgestellt.
Das Norovirus ist zu allem Überfluss nicht nur äußerst stabil, sondern es hat sich in den letzten Jahren auch genetisch entscheidend verändert. Die neue Variante, die mittlerweile bei fast allen Massenerkrankungen gefunden wird, ist extrem ansteckend. Schon kleinste Mengen genügen für eine Infektion. Außerdem können die Erreger auf dem Luftweg bis zu zwei Meter zurücklegen, ähnlich wie Erkältungsviren – eine für Magen-Darm-Viren ungewöhnliche Eigenschaft. Mit den Schnupfenerregern teilen sie auch den winterlichen Verbreitungsgipfel. Über die Gründe wird noch gerätselt: Möglicherweise ist das menschliche Immunsystem in dieser Jahreszeit geschwächt oder die Viren bleiben bei den kälteren Tempera-turen länger „frisch” als im Sommer. Medikamente oder gar eine Impfung sind derzeit nicht in Sicht. So raten Infektions-Experten wie Thomas Schneider von der Berliner Charité vor allem dazu, bei einer Erkrankung die Salz- und Flüssigkeitsverluste auszugleichen. Bei Kleinkindern und älteren Menschen können diese lebensbedrohliche Ausmaße annehmen. Nach drei bis vier Tagen gehen die Symptome im Allgemeinen von selbst zurück. Allerdings scheidet der scheinbar wieder Gesunde noch bis zu 14 Tage lang infektiöse Viren aus. Dr. Ulrich Fricke
medinfo im Januar: Medikamente aus DNA und RNA
INTERNET
Informationen zum Norovirus, Verhaltens- und Hygienemaßnahmen: www.rki.de (klicken: Infektionskrankheiten von A–Z) Wissenschaftliche Links (nicht nur zu Noroviren): www.virology.net
LESEN
Walter Doerfler VIREN: Krankheitserreger und Trojanisches Pferd (Taschenbuch) Springer, Berlin 2007, € 19,95
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Prof. Dr. Axel Kramer, Walter-Rathenau-Straße 42, 17489 Greifswald www.klinikum.uni-greifswald.de