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Neue Ursache für Alzheimer entdeckt

Neurodegenerative Erkrankungen

Neue Ursache für Alzheimer entdeckt
Neuronen
Das Neuronensterben bei der Alzheimer-Erkrankung hängt mit verschiedenen sRNA-Molekülen zusammen. © koto_feja / iStock

Im Gehirn von Patienten mit Alzheimer-Demenz sterben große Mengen an Nervenzellen ab. Das kann verschiedene Auslöser haben. Forschende haben nun einen neuen Verursacher entdeckt: kurze RNA-Sequenzen (sRNA), die auf Neuronen giftig wirken. Zugleich kommen sRNAs mit schützender Wirkung in älteren Gehirnen und bei Alzheimer seltener vor, wie die Studie ergab. Demnach könnte eine Disbalance dieser beiden sRNA-Molekülarten für das Neuronensterben verantwortlich sein. Die Erkenntnis hilft, die Krankheit besser zu verstehen und eröffnet neue Möglichkeiten für Medikamente gegen neurodegenerative Erkrankungen.

Alzheimer ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen und die häufigste Form von Demenz im Alter. In Deutschland leben circa 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenz, davon mehr als zwei Drittel mit Alzheimer. Die Patienten leiden unter anderem unter Gedächtnisverlust, weil übermäßig viele Nervenzellen in ihrem Gehirn absterben. Das kann infolge von Verklumpungen sogenannter Amyloid-Beta- oder Tau-Proteine passieren, aber auch andere Gründe haben. Wie genau es zum Zelltod der Neuronen kommt, ist bislang nur schlecht erforscht.

Zusammenspiel zweier RNA-Gruppen

Ein Team um Bidur Paudel von der Northwestern University in den USA hat nun auf molekularer Ebene nach dem zugrunde liegenden Mechanismus für das Neuronensterben gesucht. Dafür untersuchten die Neurowissenschaftler die Gehirne von Labormäusen, die an Alzheimer erkrankt waren, sowie von alten und jungen gesunden Mäusen. Zudem analysierten sie die Gehirne von verstorbenen sogenannten Super-Agern – Menschen über 80 Jahren, deren Gedächtnisleistung der eines jüngeren Menschen zwischen 50 und 60 Jahren entspricht. Darüber hinaus untersuchten die Forschenden auch Neuronen in Zellkulturen, die sich aus Stammzellen von jungen und alten gesunden Menschen sowie von Alzheimer-Patienten entwickelt hatten. Zusätzlich kultivierten sie im Labor Neuronen-ähnliche Zellen, die aus menschlichen Gehirnen stammten, und behandelten diese mit Amyloid-Beta-Fragmenten, um eine Alzheimer-Erkrankung zu simulieren. In all diesen Modellen suchten die Wissenschaftler nach Molekülen, die bei Alzheimer-Konditionen auftreten, bei gesunden Menschen oder Mäusen jedoch nicht.

Die Analysen ergaben, dass im Gehirn von älteren Individuen sowie von Maus und Mensch mit einer Alzheimer-Erkrankung bestimmte RNA-Moleküle häufiger vorkommen. Anders als die vergleichsweise großen Moleküle der Boten-RNA (mRNA) kodieren diese kurzen RNA-Sequenzen (sRNA) nicht für Proteine, sondern haben eher regulatorische Aufgaben in der Zelle. Einige dieser sRNA wirkten in den Versuchen jedoch giftig, schädigten die DNA, behinderten die Bildung lebenswichtiger Proteine und ließen die Neuronen absterben, wie die Forschenden berichten. Zugleich war eine andere Gruppe an sRNA-Molekülen bei älteren Individuen weniger vorhanden: Kurze RNA-Sequenzen, die vor genau diesen toxischen sRNAs schützen. „Wir haben herausgefunden, dass sich in alternden Gehirnzellen das Gleichgewicht zwischen toxischen und schützenden sRNAs hin zu toxischen verschiebt“, sagt Seniorautor Marcus Peter von der Northwestern University.

Das veränderte Zusammenspiel dieser beiden RNA-Gruppen könnte die Entwicklung von Alzheimer begünstigen, schließt das Team. Die Gehirne von Super-Agern wiesen zudem ungewöhnlich hohe Mengen dieser schützenden sRNA auf, wie die Untersuchungen weiter ergaben. Dadurch scheinen sie besser vor Nervensterben geschützt zu sein und eine bessere Gedächtnisleistung zu haben als ihre Altersgenossen, so die Vermutung von Paudel und seine Kollegen.

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Chance für neue Therapie-Ansätze gegen Alzheimer und Co

Es sei das erste Mal, dass die Alzheimer-Erkrankung mit RNA-Molekülen in Zusammenhang gebracht wurde, erklären die Forschenden. Die Erkenntnisse könnten nun helfen, die Krankheit und andere neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson, Huntington und ALS besser zu verstehen und zu behandeln. „Unsere Daten liefern eine neue Erklärung dafür, warum die betroffenen Personen bei fast allen neurodegenerativen Erkrankungen jahrzehntelang ein beschwerdefreies Leben führen und die Krankheit dann allmählich einsetzt: Weil die Zellen mit zunehmendem Alter ihren Schutz verlieren“, erklärt Peter.

Bislang versuchen Mediziner Betroffenen vor allem zu helfen, indem sie die schädlichen Protein-Ablagerungen in deren Gehirn bekämpfen. Jedoch bisher mit mäßigem Erfolg. Künftig könnten sich Forschende stattdessen darauf konzentrieren, Medikamente gegen neurodegenerative Erkrankungen zu entwickeln, die schützende RNA-Moleküle fördern oder toxische RNA hemmen, schlagen Paudel und seine Kollegen vor. Substanzen mit einer solchen Wirkung sind sogar bereits vorhanden, wie das Team in Folgeexperimenten herausfand. Diese müssten jedoch zunächst weiter getestet und verbessert werden, um effektiv und sicher angewandt werden zu können, so Peter.

Dieser Aufgabe wollen sich die Forschenden nun widmen. Dabei gilt es ein Gleichgewicht aus toxischen und schützenden sRNAs zu generieren, denn die toxischen sRNA haben auch eine natürliche nützliche Funktion: Sie töten Krebszellen ab. Möglicherweise ist das auch der Grund, warum Alzheimer-Patienten seltener an Krebs erkranken.

Quelle: Bidur Paudel (Northwestern University) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-44465-8

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