Einfach ein Pflaster drauf: So leicht lassen sich Wunden an inneren Organen leider nicht verschließen. Forscher haben nun jedoch eine Art Kleber entwickelt, der dies einmal leisten könnte. Ihr nach einem Vorbild aus dem Körper konzipiertes Hydrogel vernetzt sich unter Lichteinfluss mit darunterliegendem Gewebe und ist hochelastisch. Auf diese Weise haftet es auch an Stellen, die mit herkömmlichen Methoden nur schwierig zu behandeln sind – etwa am Herzen. Bewährt hat sich der neuartige Wundkleber bereits in Tests mit Schweinen.
Um Wunden an inneren Organen zu schließen, nutzen Chirurgen in der Regel Fäden, Klammern oder Drähte. Doch gerade bei Organen wie der Lunge oder dem Herzen sind solche Verfahren problematisch. Denn beim Atmen und Schlagen sind diese Gewebe immer in Bewegung: Sie dehnen sich regelmäßig aus oder kontrahieren und entspannen. Nicht immer klappt es daher, die Wunde auf Anhieb komplett zu verschließen – und manchmal lösen sich die angebrachten Verschlüsse im Laufe der Zeit wieder. Aus diesem Grund arbeiten Wissenschaftler schon länger an der Entwicklung von Materialien, die besser halten und einfacher angebracht werden können.
Frühere Untersuchungen haben in diesem Zusammenhang bereits nahegelegt: Womöglich könnten sich spezielle Wundkleber als Alternative für Faden und Co eignen. Solche Klebematerialen müssen jedoch nicht nur trotz der feuchten Umgebung des Körperinneren haften, sondern auch möglichst schnell aushärten. “Einige Polymer-basierte Hydrogele haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie zwar auf nassen Gewebeoberflächen halten. Viele dieser Materialien gelieren aber zu langsam, sind nicht flexibel genug oder giftig für den Körper”, erklären Forscher um Yi Hong von der Zhejiang University School of Medicine im chinesischen Hangzhou.
Extrazelluläre Matrix als Vorbild
Das Team hat nun jedoch einen Wundkleber entwickelt, der all diese Nachteile offenbar nicht hat. Als Vorbild für das neue Material diente ein Gewebetyp, der auch im menschlichen Körper vorkommt: die extrazelluläre Matrix. Diese zum Beispiel im Bindegewebe reich vertretene “Zwischenzellmasse” besteht aus Kollagen, Glykosaminoglykanen wie Hyaluronsäure und Wasser und ist gleichzeitig stark und elastisch. Um diese Struktur zu imitieren, nutzten die Wissenschaftler unter anderem eine spezielle Form der Gelatine (GelMA) sowie mit Butanamiden verbundene Hyaluronsäure (HA-NB). “Das Verhältnis von GelMA zu HA-NB in unserem Produkt gleicht jenem von Kollagenen und Glykosaminoglykanen in menschlichem Bindegewebe”, berichtet das Team.
Der Clou an dem neuen Material: Es reagiert auf UV-Strahlung. Unter Lichteinfluss vernetzen sich Molekülgruppen im Kleber mit dem darunterliegenden Gewebe – es entsteht ein hochelastischer, haltbarer Verschluss. Erste Experimente zeigten, dass der Kleber hervorragend an tierischem Gewebe haftete und sogar Kräften standhielt wie sie durch einen Blutdruck von 290 Millimeter-Quecksilbersäule verursacht werden. “Das ist weitaus höher als es in der Klinik vorkommt”, betont das Team. Doch würde das Hydrogel auch den Praxistest am lebenden Tier bestehen? Tatsächlich bewährte sich der Gewebekleber bei weiteren Experimenten mit Schweinen, die stark blutende Wunden am Herzen hatten.
Schnell verschlossen
Demnach konnten die Verletzungen am schlagenden Organ mithilfe des Hydrogels sicher verschlossen und die Blutung gestoppt werden – und zwar innerhalb von nur rund 20 Sekunden. Ein zusätzliches Vernähen war nicht nötig. Die behandelten Wunden waren auch zwei Wochen nach der Operation noch optimal versiegelt, wie die Forscher berichten. “Diese Ergebnisse zeigen, dass unser synthetisches Gel mit seinen kontrollierbaren Polymerisationseigenschaften Blutungen an Herzwunden schnell stoppen kann”, konstatieren sie. Bevor der neue Wundkleber aber Operationen im Krankenhaus erleichtern könne, seien zunächst weitere Studien nötig. Wie lange hält der Kleber wirklich und ist er für den Körper gut verträglich? “Diese Fragen müssen im Detail beantwortet werden, bevor wir das Hydrogel am Menschen testen”, so das Fazit des Teams.
Quelle: Yi Hong (Zhejiang University School of Medicine, Hangzhou) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-019-10004-7