Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Nanopartikel: Risiko für Babys im Mutterleib

Gesundheit|Medizin

Nanopartikel: Risiko für Babys im Mutterleib
Fötus im Mutterleib
Nanopartikel können die Entwicklung des ungeborenen Kindes beeinträchtigen. © janulla/iStock

Wir atmen sie ein, nehmen sie mit Nahrung auf oder mit dem Trinkwasser: Nanopartikel gelangen auf verschiedenen Wegen in unsern Körper. Welche Folgen dies hat, ist jedoch erst in Teilen geklärt. Jetzt enthüllt eine Studie, wie sich Nanopartikel auf Ungeborene im Mutterleib auswirken, selbst wenn sie nicht bis in den Körper des Embryos gelangen. Demnach reicht schon die Anreicherung der winzigen Teilchen in der Plazenta aus, um ihre Funktion zu stören. Denn das Organ setzt bei Belastung mit Nanopartikeln Botenstoffe frei, die unter anderem die Ausbildung von Blutgefäßen im Embryo beeinträchtigen, wie die Forschenden feststellten. Welche indirekten Folgen es noch geben könnte, untersuchen sie zurzeit noch.

Ob Titandioxid, Dieselruß oder auch die winzigen Teilchen des Nanoplastiks: In vielen Alltagsprodukten sind Nanopartikel enthalten, die den Substanzen Farbe verleihen, sie stabilisieren oder wirksamer machen sollen. Auch durch Reifenabrieb und andere Abnutzungsprozesse werden Nanopartikel freigesetzt – und gelangen so in unsere Umwelt. “Wir nehmen diese Substanzen aus der Umwelt über unsere Nahrung, über Kosmetik oder über die Atemluft auf”, erklärt Seniorautorin Tina Bürki-Thurnherr von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa. Wegen ihrer geringen Größe können diese Nanopartikel in unsere Organe, Gewebe und selbst in Zellen eindringen, wie Studien belegen. Sie wurden unter anderem in Darmzellen, in der Lunge und im menschlichen Gehirn nachgewiesen. Dort können sie Zellschäden verursachen und stehen im Verdacht, Krankheiten wie Krebs oder Alzheimer zu fördern.

Blick auf die Plazenta

Doch wie sieht es mit der Wirkung auf die besonders sensiblen ungeborenen Kinder aus? Tierversuche wecken den Verdacht, dass eine hohe vorgeburtliche Belastung mit Nanopartikeln die Entwicklung des Embryos beeinträchtigen können, ein geringeres Geburtsgewicht, Autismus und Atemwegserkrankungen gehören zu den möglichen Folgen für das Kind. Doch über welche Mechanismen dies geschieht, ist unklar – auch, weil manche Schäden auftreten, ohne dass die Nanopartikel direkt im Gewebe des ungeborenen nachweisbar sind. “Wir wissen bereits, dass die Plazentaschranke viele Nanopartikel zurückhält oder deren Transport zum Embryo zumindest verzögert”, erklärt Bürki. Wie sich die Anreicherung von Nanopartikeln an der Plazentaschranke auf die Funktion dieses für die fötale Ernährung und Gesundheit so wichtigen Organs auswirkt, haben Bürki, Erstautorin Battuja Dugershaw-Kurzerürich und ihre Kollegen nun untersucht.

Dafür nutzte das Team voll funktionsfähige menschliche Plazenten, die nach geplanten Kaiserschnitten zur Verfügung gestellt wurden. “Nur dank menschlichem Plazentagewebe lassen sich aussagekräftige Resultate zum Transport und der Wirkung von Nanopartikeln ermitteln”, sagt Bürki. “Der Aufbau, der Stoffwechsel und das Ineinandergreifen von mütterlichem und fetalem Gewebe sind einzigartig und artspezifisch.” Für das Experiment setzten die Forschenden dieses Plazentagewebe verschiedenen Dosen von Titandioxid, Siliziumdioxid und Dieselruß aus und analysierten, ob dies die Freisetzung von Botenstoffen und anderen Molekülen aus der Plazenta veränderte. Dabei zeigte sich, dass dies tatsächlich der Fall war. “Nanopartikel und Dieselruß können weitreichende Störungen des plazentalen Sekretoms hervorrufen, darunter auch die Deregulation von verschiedenen Hormonen, immunwirksamen Cytokinen und Chemokinen sowie von gefäßbildenden Wachstumsfaktoren”, berichtet das Team. Diese Effekte zeigten sich besonders bei den Metalloxid-Nanopartikeln Titandioxid und Siliziumdioxid und in den Plazenten aus frühen Stadien der Schwangerschaft.

(Video: Empa)

Anzeige

Gehemmte Gefäßbildung

Wie sich diese veränderte Botenstoff-Freisetzung auf das werdende Leben auswirkt, testeten Dugershaw-Kurzerürich und ihre Kollegen in einem ersten Schritt an gefäßbildenden menschlichen Zellen und Zellkulturen aus Nabelschnurblut. Diese Zellen setzten sie sowohl normalen plazentalen Sekreten aus als auch denen der mit Nanopartikeln belasteten Plazenta-Proben. Das Ergebnis: Die Zellen, die den veränderten Botenstoffen aus den Nanopartikel-belasteten ausgesetzt waren, bildeten signifikant kürzere Adersprosse aus. Ähnliches zeigte sich in einem zweiten Test mit Hühnereiern und den sich darin entwickelnden Embryos. Normalerweise wachsen die Blutgefäße in solchen Eiern in hoher Geschwindigkeit und Dichte und bilden ein dichtes Netzwerk von feinen Blutgefäßen auf dem Inneren der Eischale. Wurden diese Eier jedoch dem Botenstoff-Cocktail der belasteten Plazenten ausgesetzt, blieb dieses Adernetzwerk löcherig und grobmaschig. Nach Angaben der Forschenden belegt dies, dass die von den Nanopartikeln verursachten Störungen in der Botenstoff-Freisetzung der Plazenta sich auch auf die Embryos auswirken.

“Nanopartikel wirken offenbar indirekt auf das Kind im Mutterleib ein, indem sie die Bildung von Blutgefäßen über Botenstoffe hemmen”, erklärt Bürki. Welche weiteren Störungen die Nanopartikel indirekt auslösen können, sollen nun kommende Analysen zeigen. “Eine gesunde Plazenta ist für die Entwicklung des Kindes von immenser Bedeutung. Daher sind korrekte Risikobewertungen von Umweltbelastungen für Schwangere entscheidend”, sagt Co-Autor Thomas Rduch von der Frauenklinik des Kantonsspitals St. Gallen. Entsprechend wichtig sei es, die Wirkungen von Nanopartikeln auf die Plazenta und damit indirekt auf den Embryo genauer zu erforschen.

Quelle: Battuja Dugershaw-Kurzerürich (ETH Zürich) et al., Advanced Science, doi: 10.1002/advs.202401060

Anzeige
Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Youtube Music
Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Psy|cho|path  〈m. 16〉 an Psychopathie leidender, seelisch gestörter Mensch

neu|mo|disch  〈Adj.; meist abwertend〉 modern, der neuesten Mode entsprechend ● ~er Quatsch

♦ Ha|plo|i|die  〈f. 19; unz.; Biol.〉 das Auftreten des einfachen Chromosomensatzes in der Zelle; Ggs Diploidie … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige