Über sechs Millionen Menschen leiden weltweit an Parkinson – der zweithäufigsten neurodegenerativen Erkrankung nach Alzheimer. Der englische Arzt James Parkinson beschrieb die Krankheit bereits vor 200 Jahren zum ersten Mal. Doch wodurch Morbus Parkinson ausgelöst wird, ist Medizinern bis heute weitestgehend ein Rätsel. Klar ist nur: Die Erkrankung geht mit einem Niedergang Dopamin-produzierender Nervenzellen im Gehirn einher. Sterben diese Zellen ab, fehlt als Folge dieser wichtige neuronale Botenstoff. Dadurch werden vom Gehirn unter anderem falsche Signale an die Muskulatur weitergeleitet. Es kommt zu den typischen motorischen Beschwerden wie Tremor, Rigor und Bradykinese: Bei Betroffenen beginnen Hände und Füße unwillkürlich zu zittern, Gang, Gestik oder Mimik werden langsamer und die Muskeln versteifen sich.
Medikamente wie Levodopa, eine Vorstufe von Dopamin, können diese Symptome lange Zeit gut in Schach halten. Nach langjähriger Einnahme beginnt die Wirkung des Mittels jedoch spürbar zu schwanken und lässt insgesamt nach. Hinzu kommt, dass insbesondere bei langfristiger Einnahme starke Nebenwirkungen auftreten können. Aus diesem Grund forschen Wissenschaftler schon länger nach Alternativen, um Parkinson-Beschwerden zu lindern und die Erkrankung womöglich sogar zu heilen. Ein Ansatz ist dabei die Stammzelltherapie. Die Idee: Das abgestorbene Hirngewebe soll bei Patienten durch aus Stammzellen gewonnene Nervenzellen ersetzt werden. Weil der Einsatz embryonaler Stammzellen zu solchen Zwecken umstritten ist, experimentieren Forscher inzwischen vermehrt mit sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen). Dabei werden Körperzellen künstlich in einen Zustand wie im Embryonalstadium zurückversetzt – das heißt, sie können sich erneut zu jedem Zelltyp des Körpers entwickeln, beispielsweise zu Nervenzellen.
Neue Neurone für kranke Primaten
Forschern ist es mit dieser Methode bereits gelungen, Hautzellen in dopaminerge Nervenzellen umzuwandeln und diese ins Gehirn von Mäusen und sogar Affen einzusetzen. “Doch wie sich aus menschlichen iPS-Zellen gewonnene dopaminerge Neuronen langfristig im Hirn von Parkinson-kranken Primaten verhalten, ist bisher noch nicht untersucht worden”, sagen Tetsuhiro Kikuchi von der Universität Kyoto und seine Kollegen. Dieser entscheidenden Frage haben sich die Wissenschaftler nun gewidmet. Dafür implantierten sie elf Makaken ( Macaca fascicularis) aus menschlichen Zellen gewonnene Vorläuferzellen Dopamin-produzierender Neuronen ins Putamen. Zuvor hatten sie die Primaten mit dem Neurotoxin MPTP behandelt. Das Nervengift löst die klassischen Parkinson-Symptome aus und zerstört, ähnlich wie bei der Erkrankung selbst, dopaminerge Zellen im Gehirn.
Wie würde sich die Transplantation der Vorläufer-Nervenzellen auf die erkrankten Affen auswirken? Mithilfe der Magnetresonanztomographie und weiteren Verfahren zeigten die Forscher, dass sich die fremden Zellen unter immunsuppressiver Therapie gut entwickelten, langfristig überlebten und die Funktion der untergegangenen Neurone zu erfüllen schienen. Auch lösten sie innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren keine gravierenden Nebenwirkungen wie etwa die Entwicklung bösartiger Tumore aus, die beispielsweise bei früheren Studien nach der Implantation embryonaler Stammzellen in das Gehirn von Ratten beobachtet worden waren. Der vielversprechende Eindruck beim Blick ins Gehirn der behandelten Makaken bestätigte sich auch, als die Forscher das Verhalten der Tiere beobachteten. Zwar überstand ein Primat die Prozedur nicht und starb acht Monate später. Bei den anderen aber verbesserte sich nach und nach die Bewegungsfähigkeit, die motorischen Auffälligkeiten ließen nach. Insgesamt könne die Effektivität der Therapie mit der einer medikamentösen Levodopa-Behandlung verglichen werden, schreibt das Team.
“Allgemeingültigkeit erst noch bestätigen”
Wie viele der transplantierten Zellen überlebten und zu welchem Grad sich die Symptome besserten, war individuell jedoch unterschiedlich. Das könnte unter anderem an der Auswahl der Spenderzellen gelegen haben. So machten die Wissenschaftler bei ihren Untersuchungen bestimmte genetische Signaturen aus, die das spätere Überleben einer Spenderzelle zu beeinflussen scheinen und mit deren Hilfe sich künftig womöglich besonders gut geeignete Zelllinien identifizieren lassen. Welche Marker für die Identifizierung guter Spenderzellen am besten funktionieren, müssen nun weitere Studien zeigen. Schon jetzt machten die Ergebnisse jedoch Hoffnung, dass neurologische Erkrankungen wie Parkinson eines Tages mithilfe zellbasierter Therapien erfolgreich behandelt werden können, konstatieren die Forscher.
Trotz der vielversprechenden Resultate stellt die Studie nach Meinung des Stammzellbiologen Frank Edenhofer von der Universität Innsbruck jedoch noch keinen Durchbruch dar: “Weitere Experimente müssen die Allgemeingültigkeit der aktuellen Ergebnisse erst noch bestätigen. Außerdem muss geklärt werden, inwiefern in Zukunft auf eine Immunsuppression verzichtet werden kann, welche in dieser Studie durchgängig angewendet wurde, um eine Abstoßung der transplantierten Zellen zu minimieren.” Eine mögliche Lösung für dieses Problem könnte eine zweite parallel von dem Forscherteam veröffentlichte Arbeit aufzeigen. Dafür testeten die Wissenschaftler die Verwendung sogenannter immunkompatiblen iPS-Zellen. Das sind Zellen, deren Moleküle, die für die Erkennung von Fremd und Eigen verantwortlich sind, zu denen des Empfängers passen. Es zeigte sich: Das Immunsystem reagiert auf solche Transplantate deutlich weniger stark. “Ein weiterer Schritt könnte auch die Anwendung autologer Transplantate sein, also Zellen, die direkt vom Patienten selbst gewonnen werden”, schließt Edenhofer.