Neben den Impfstoffen sollen auch antivirale Medikamente schwere Verläufe von Covid-19 verhindern helfen. Wie gut diese Wirkstoffe auch gegen die Omikron-Variante von Sars-CoV-2 helfen, hat ein Forschungsteam nun in Infektionstests an Zellkulturen untersucht. Dabei zeigte sich, dass alle acht getesteten Wirkstoffe, darunter auch Remdesivir, Molnupiravir und Paxlovid, gegen Omikron genauso wirksam sind wie gegen die Deltavariante. Zudem lieferten die Versuche Hinweise darauf, dass Omikron den zellulären Abwehrmechanismus mittels Interferon schlechter blockieren kann als frühere Coronavirusformen. Das könnte erklären, warum der Verlauf meist milder ist.
Seitdem die stark mutierte Omikron-Variante von Sars-CoV-2 Ende letzten Jahres in im Süden Afrikas aufgetaucht ist, hat sie sich weltweit ausgebreitet. In den meisten Regionen ist sie inzwischen die dominante Form des Coronavirus. Sie unterscheidet sich vom ursprünglichen Typ des Covid-19-Erregers durch rund 50 Mutationen, darunter mehrere, die sie infektiöser machen. Tests belegen zudem, dass die durch Impfung oder frühere Infektionen gebildeten Antikörper gegen die Omikron-Variante nur noch in Teilen wirken. Dadurch werden Impfdurchbrüche wahrscheinlicher, wenngleich die weiterhin vorhandene T-Zell-Antwort dann für milde Verläufe sorgt. Insgesamt scheint die mutierte Form des Coronavirus weniger schwerere Verläufe zu verursachen als ihr Vorgänger Delta. Warum dies so ist, ist allerdings bisher unklar.
Weniger effektive Hemmung der Interferon-Antwort
Ein deutsch-britisches Forschungsteam um Denisa Bojkova von der Goethe-Universität Frankfurt hat nun näher untersucht, wie
Zellen auf eine Infektion mit Omikron-Variante reagieren und wie gut antivirale Wirkstoffe die Infektion eindämmen können. Für ihre Studie setzten sie Kulturen von Hamsterzellen sowie zwei menschlichen Zelllinien der Infektion mit zwei Isolaten der Omikron-Variante und einer der Delta-Variante aus. Sie beobachteten, dass sich Omikron in den Kulturen weniger gut ausbreiten konnte, in denen die Zellen eine intakte und starke Interferon-Abwehrreaktion besaßen. Bei dieser zellulären Abwehrreaktion erzeugen die Zellen den Botenstoff Interferon, der antiviral wirkt und zugleich als Alarm-Botenstoff für das Immunsystem fungiert. Die Delta-Variante hingegen konnte sich ungeachtet des Interferonstatus in allen Kulturen gleich gut vermehren.
Nach Ansicht des Forschungsteams deutet dies darauf hin, dass die Omikron-Variante die zelluläre Interferon-Antwort weniger gut unterdrücken kann als Delta. Dazu passt, dass die mutierte Virusform mehrere Mutationen in Proteinregionen trägt, die bei früheren Varianten zur Blockade der Interferon-Reaktion beitragen. Wie die Wissenschaftler erklären, könnte die ineffizientere Interferon-Hemmung ein Grund dafür sein, warum Omikron weniger schwere Covid-19-Verläufe zeigt. „Unsere Zellkulturexperimente liefern eine erste Erklärung dafür, warum Omikron-Infektionen häufiger milde klinische Verläufe nach sich ziehen: Offenbar kann Omikron im Gegensatz zu Delta nicht verhindern, dass die befallenen Zellen Interferon produzieren und ausschütten”, erklärt Co-Autor Martin Michaelis von der University of Kent.
Antivirale Medikamente wirken weiterhin
In einem zweiten Experiment testete das Forschungsteam, wie gut acht zurzeit in klinischen Studien getestete oder schon zugelassene antivirale Medikamente gegen die Omikron-Variante wirken. Getestet wurden Remdesivir, das Molnupiravir-Derivat EIDD-1931, Ribavirin, Favipravir, der Paxlovid-Bestandteil PF-07321332 sowie die Proteasehemmer Nafamostat, Camostat und Aprotinin. Das Ergebnis hier: Alle acht Substanzen zeigten in den Zellkulturtests gegen die Omikron- und die Delta-Variante eine vergleichbare Wirksamkeit. “Das zeigt, dass die Mutationen in der Omikron-Variante keine substanziellen Veränderungen im Wirkstoff-Sensibilitätsprofil des Virus verursacht haben”, erklären die Wissenschaftler. Das bestätigt, dass sich die für die Virusvermehrung nötigen viralen Enzyme und Replikationsprozesse bei Omikron kaum verändert haben.
„Obwohl unsere Zellkulturexperimente natürlich nicht ohne weiteres auf die ungleich komplexere Situation in Patienten übertragbar sind, geben sie Hoffnung, dass die enormen Anstrengungen zur Entwicklung von Covid-19-Medikamenten nicht vergebens waren”, sagt Bojkovas Kollege Jindrich Cinatl. “Wir können also zuversichtlich sein, dass auch gegen die neue Omikron-Virusvariante bald ein breites Spektrum an Wirkstoffen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zur Verfügung steht.”
Quelle: Denisa Bojkova (Goethe-Universität Frankfurt am Main) et al., Cell Research, doi: 10.1038/s41422-022-00619-9