Weniger gefährliche Substanzen als im Tabakrauch
Studien der Universität Mainz legen nahe, dass bereits jeder Achte in der Vergangenheit eine E-Zigarette geraucht hat. Zudem gelten E-Zigaretten als eine der beliebtesten Ausstiegsmöglichkeiten zur Rauchentwöhnung. Schätzungsweise 90 Prozent aller Dampfer haben vorher Tabakzigaretten geraucht. Anders als bei herkömmlichen Zigaretten kommt ein Liquid zum Einsatz, das von einer Heizspule verdampft wird. Auch bei der Temperatur und beim Nikotingehalt ergeben sich signifikante Unterschiede: Während Tabakzigaretten bis zu 1100 Grad heiße Glut verursachen, erhitzt sich die Flüssigkeit in E-Zigaretten auf maximal 300 Grad. Der Nikotingehalt, der bei einer Zigarette etwa 0,8 mg beträgt, variiert bei einer E-Zigarette. Der Anwender entscheidet selbst, ob er nikotinhaltiges oder nikotinfreies Liquid bevorzugt.
Allen Unterschieden zum Trotz wird das gesundheitliche Risiko der E-Zigarette von der Bevölkerung als gleich- oder höherwertig eingestuft. Tatsächlich deutet die bisherige Studienlage darauf hin, dass E-Zigaretten um bis zu 95 Prozent weniger schädlich sind als Tabakzigaretten. Aktuellen Risikobewertungen zufolge ist eine E-Zigarette folglich als Mittel zum Umstieg von der Tabakzigarette geeignet. Anders als herkömmliche Zigaretten enthalten die durch Dampfen freigesetzten Aerosole erheblich weniger krebserregende Substanzen. Dennoch lässt sich der E-Zigarettendampf nicht grundsätzlich als ungefährlich einstufen. Zwar setzt die elektronische Zigarette weniger Schadstoffe frei, doch kann die nikotinhaltige Flüssigkeit beim Verdampfen schädliche Abbauprodukte produzieren.
Zudem können die Verdampfer diverse Nebenwirkungen mit sich bringen. Da sich die Artenzusammensetzung der Mundmikroben infolge des Dampfens umformt, könnten E-Zigaretten die körpereigene Mundflora verändern. Zu diesem Ergebnis gelangten Wissenschaftler der Ohio State University, nachdem sie das Zahnfleisch von Nichtrauchern mit dem Zahnfleisch der Raucher und Dampfer verglichen. In der Auswertung ergaben sich deutliche Unterschiede. So wies die Mundflora der E-Zigaretten-Nutzer Ähnlichkeiten mit an Zahnfleischentzündungen leidenden Patienten auf. Auch auf den im Dampf enthaltenen Stoff Propylenglykol reagieren empfindliche Nutzer mit Atemwegs- oder Augenirritationen.
Dennoch sind E-Zigaretten mit niedrigem Nikotingehalt für Raucher eine sinnvolle Option zum Tabak-Ausstieg. Analysierte Studien lassen die Schlussfolgerung zu, dass E-Zigaretten Raucher darin unterstützen, ihr Verlangen nach einem Glimmstängel zu mindern. Im Gegensatz zu Kaugummis oder Nikotinpflastern bleibt das „Ritual“ des Rauchens durch eine Imitation jedoch erhalten. So könne die tabakfreie Alternative den Übergang zur Rauchfreiheit positiv beeinflussen.
Ergebnisse der Langzeitstudien: E-Zigaretten weniger schädlich für Herz, Gefäße und Lunge
Aktuelle Langzeitstudien zur E-Zigarette gehen von weitaus weniger Gesundheitsschäden als bei Tabakzigaretten aus. Eine schottische Studie etwa vermutet beim E-Zigaretten-Konsum eine vergleichsweise bessere Gefäßgesundheit. Unabhängig davon, ob die Probanden Liquids mit oder ohne Nikotin rauchten, verbesserte sich ihre vaskuläre Gesundheit. Bei der weiterhin Tabakzigaretten rauchenden Vergleichsgruppe fiel die positive Wirkungsweise deutlich geringer aus.
Neben den Zwei-Jahres-Daten aus Schottland lässt eine weitere Studie Rückschlüsse zur Schadstoffbelastung bei E-Zigaretten zu. In einer bisher beispiellosen Versuchsanordnung untersuchte Prof. Dr. Riccardo Polosa, Direktor des Instituts für Innere Medizin und Klinische Immunologie an der Universität von Catania (Italien), mögliche Langzeitschäden. Dafür rekrutierte er für die Studie insgesamt neun aktive „Dampfer“, die er über einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren regelmäßig medizinisch untersuchte. Dabei prüften Mediziner die Bronchien, den Blutdruck, das Körpergewicht sowie Lungen-, Atemfunktion und Herzfrequenz. Sie verglichen die Daten mit einer zweiten Referenzgruppe, die aus zwölf Nichtrauchern, die vorher noch nie Tabak konsumiert hatten, bestand. Auf diese Weise war es den Wissenschaftlern möglich, die durch Aerosole der E-Zigaretten aufkommenden Expositionen eindeutig zu bestimmen.
Im Ergebnis stellte der Forscher keine nachweisbaren negativen Effekte, die auf die E-Zigarette zurückzuführen sind, fest. Demnach gab es keine signifikanten medizinischen Unterschiede zwischen den E-Zigaretten-Nutzern und der Nichtraucher-Kontrollgruppe. Selbst bei „Intensivdampfern“ konnten die Wissenschaftler keine pathologischen Befunde in der Lunge nachweisen. Natürlich handelt es sich dabei um vorläufige Ergebnisse, die in weiteren Untersuchungen abschließend beantwortet werden müssen. Dennoch ist anhand der Studienergebnisse von einem gleichbleibenden gesundheitlichen Zustand bei einer dreieinhalbjährigen Nutzung einer E-Zigarette auszugehen.
Insofern resümieren die Forscher: In geringen Mengen von maximal vier Milliliter Liquid täglich bringt der E-Zigaretten-Konsum mutmaßlich keine gesundheitlichen Risiken mit sich. Für deutlich höhere Dosen seien wiederum eigene Langzeitstudien erforderlich, da die Experten in diesem Fall Gesundheitsrisiken nicht ausschließen.
Anders sieht der Sachverhalt bei Rauchern aus, die zusätzlich E-Zigarette dampfen: Sie sind einer US-amerikanischen Studie zufolge am häufigsten von Atemwegserkrankungen betroffen. Insofern könnte sich der doppelte Gebrauch für Raucher problematisch auswirken – besonders, wenn sie ihre ursprüngliche Tagesdosis nicht verringern, sondern aufgrund der E-Zigarette erhöhen.
Positive Erkenntnisse für Raucher
Die Langzeitstudie von Prof. Dr. Riccardo Polosa gilt als eine der ersten ihrer Art, die sich seriös mit der Thematik der E-Zigarette aufeinandersetzen. Raucher dürften aufgrund der Ergebnisse dazu ermutigt werden, (vorläufig) auf E-Zigaretten umzusteigen. Dennoch raten Experten dazu, das Dampfen nicht als alleiniges Kompensationsmittel anzusehen. Wer anstelle der Glimmstängel im Übermaß E-Zigaretten konsumiert, schadet der eigenen Gesundheit langfristig vermutlich trotzdem. Vorsicht ist ebenfalls bei den Produkten an den Tag zu legen: E-Zigaretten und Liquids sollten zertifiziert und auf dem europäischen Markt zugelassen sein. Des Weiteren sollten Liquids keinesfalls selbst angemischt werden. Auch ölige Flüssigkeiten und Aromastoffe nicht-zertifizierter Anbieter stehen in Verdacht, schwere Atemwegserkrankungen auszulösen.
Zudem sollten sich Raucher der Tatsache bewusst sein, dass die Entwöhnung nicht von einem auf den anderen Tag stattfindet. Nicht jeder Starkraucher würde es schaffen, schlussendlich auf komplett nikotinfreies Liquid umzusteigen.
Insgesamt erschweren die Vielfalt an E-Zigaretten sowie die bisher beschränkte Studienlage allgemeingültige Aussagen. Auch das deutsche Bundesinstitut der Risikobewertung vermeidet es, Nikotinverdampfer im Allgemeinen zu bewerten. Es verweist auf die zahlreichen Aromastoffe, Hersteller und Geschmacksrichtungen. Insgesamt wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis die Forschungen über die Langzeitfolgen des E-Zigarettenkonsums stärker ausgereift sind.
25.01.2021