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Lachgas-Konsum führt immer häufiger zu neurologischen Schäden

Medizin

Lachgas-Konsum führt immer häufiger zu neurologischen Schäden
leere Lachgas-Kartuschen und Luftballons
Lachgas-Konsum als Partydroge liegt im Trend. Begleitet wird dieser allerdings durch eine steigende Zahl an Patienten mit schweren Spätfolgen. © Corinne Poleij / iStock

Lachgas wird seit einiger Zeit als Partydroge weltweit immer beliebter, auch in Deutschland. Das Betäubungsmittel gilt als vermeintlich risikoarm, kann jedoch beim übermäßigen Freizeitkonsum schwere und teils bleibende Nervenschäden nach sich ziehen. Solche Folgeerkrankungen werden seit dem Jahr 2020 immer häufiger, wie nun eine Studie aus dem Großraum Paris zeigt. Vor allem junge und sozial benachteiligte Menschen konsumieren demnach immer häufiger hohe und damit gesundheitsschädliche Mengen Lachgas. Damit wird Lachgasmissbrauch zu einem öffentlichen Gesundheitsproblem.

Lachgas (N2O, Distickstoffmonoxid) wird in der Anästhesie seit über 200 Jahren als Betäubungsmittel eingesetzt, um Patienten kurzzeitig in Narkose zu versetzen. Dabei kommen unter ärztlicher Aufsicht nur geringe, gesundheitlich unbedenklich Mengen des Gases zum Einsatz. In den vergangenen Jahren hat sich Lachgas allerdings auch zu einer weltweit beliebten Freizeit- und Partydroge entwickelt. Dabei werden Ballons mit Lachgas gefüllt und dann das Gas eingeatmet. Zwar lässt die berauschende Wirkung nach wenigen Minuten nach, doch sie kann erhebliche Folgeschäden nach sich ziehen. Das wird zunehmend zu einem Gesundheitsproblem, auch weil einige junge Menschen regelmäßig sehr viel von dem Gas einatmen.

Bei einem solchen unsachgemäßen Gebrauch kann Lachgas das Nervensystem schädigen, weil es im Körper zu einem funktionellen Mangel an Vitamin B12 führt. Dieses Vitamin ist für die Funktion der sogenannten Myelinscheiden notwendig – jenen Hüllstrukturen, die die Nervenzellen im Körper und Rückenmark schützen. Ohne ausreichend verfügbares Vitamin B12 wird diese Schutzschicht zerstört und es kommt zu Nervenschäden. Die Betroffenen haben dann Probleme zu laufen sowie taube Füße und Hände. In schweren Fällen kommt es auch zu dauerhaften Lähmungen. Die Symptome können zwar durch die Einnahme von Vitamin B12 zum Teil rückgängig gemacht werden, allerdings nicht immer vollständig.

Bei einzelnen Überdosen des Rauschmittels sind auch die Blutbildung sowie Herz und Lunge betroffen, sodass es manchmal auch zu akuten Herzrhythmusstörungen, Schlaganfällen und Atemproblemen bis hin zum Ersticken kommen kann.

Wie viele Lachgas-Konsumenten landen im Krankenhaus?

Ein Team um Yachar Dawudi vom Krankenhauszentrum in Saint-Denis hat nun im Großraum Paris untersucht, wie häufig schwere Schäden infolge von Lachgas-Konsum auftreten. Dafür erfassten die Mediziner in 78 Krankenhausabteilungen für Neurologie und Innere Medizin alle Personen über 18 Jahren, die zwischen 2018 und 2021 mit schweren Lachgas-Vergiftungen vorstellig wurden. Deren Häufigkeit verglichen sie zudem mit der Frequenz vergleichbarer neurologischer Krankheiten anhand der Krankenversicherungsdaten von 91.000 Klinikpatienten.

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Das Ergebnis: Von den insgesamt 181 in Krankenhäusern erfassten Patienten wiesen 25 Prozent Schäden am Rückenmark auf, 37 Prozent eine Schädigung peripherer Nerven und 38 Prozent eine Kombination von beidem. Unter den Patienten waren vor allem junge Erwachsene mit schlechten sozioökonomischen Bedingungen: die meisten (60 Prozent) waren zwischen 20 und 25 Jahren alt und lebten in städtischen, sozial benachteiligten Gegenden; 37 Prozent waren arbeitslos, so das Team. Im Schnitt konsumierten die Betroffenen täglich 1200 Gramm Lachgas. Ihre Symptome traten zwischen zwei und zwölf Monaten nach dem Lachgaskonsum auf. In einigen Fällen führte bereits das inhalierte Lachgas aus vier Luftballons nach sieben Wochen zu schweren Nervenschäden. Der Schwellenwert für das Risiko, schwere Gesundheitsprobleme durch Lachgas zu bekommen, liegt damit deutlich unter dem Konsum vieler junger Menschen, wie die Neurologen berichten.

Auch den Verlauf des Trends zeichnet die Studie nach: Bis Ende 2019 wurden im Großraum Paris keine entsprechenden Fälle beobachtet. Ab 2020 wurden Lachgasvergiftungen dann immer häufiger. Einen Höhepunkt erreichten die erfassten Lachgasschäden Mitte 2021. Für beide Arten der erfassten Nervenschäden lag die Inzidenz in der entsprechenden Altersgruppe dabei höher als bei vergleichbaren Störungen, die nicht durch Lachgas verursacht wurden, wie das Team berichtet. 6,15 beziehungsweise 7,48 von 100.000 Personen erlitten statistisch gesehen schwere Nervenschäden infolge von Lachgaskonsum. Rückenmarksentzündungen oder das Guillain-Barré-Syndrom traten hingegen nur bei 0,35 beziehungsweise 2,47 von 100.000 Personen auf.

Gesetzliche Regeln gefordert

Die Neurologen schließen aus den Daten, dass junge Menschen immer häufiger sehr hohe und damit gesundheitsschädliche Mengen an Lachgas konsumieren. Sie fordern daher, dass Politiker Aufklärungskampagnen und andere Maßnahmen ergreifen, um diesem Trend entgegenzuwirken. Auch in Deutschland ist die Partydroge Lachgas ein bekanntes und aktuell umstrittenes Problem, auch wenn Zahlen zu Konsummenge und Patienten mit Langzeitfolgen hier (noch) nicht vorliegen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie führt allerdings gerade eine Umfrage durch, um das Ausmaß des Problems zu erfassen. Die Gesellschaft fordert aber bereits jetzt Gesetze, die den Verkauf von Lachgas an Privatpersonen neu regeln und einschränken. Denn in Deutschland sind Verkauf und Konsum von Lachgas bislang nicht verboten.

Quelle: Yachar Dawudi (Centre Hospitalier de Saint-Denis) et al., Journal of Neurology, doi: 10.1007/s00415-024-12264-w

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