Das Krebsrisiko eines Menschen scheint überraschenderweise auch von seiner Körpergröße abzuhängen. Woran aber liegt das? Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen hat ein Forscher nun überprüft – und bestätigt. Demnach kommt der Effekt vor allem dadurch zustande, dass größere Menschen mehr Körperzellen besitzen. Allerdings kommt der Größenfaktor nicht bei allen Krebsarten gleichermaßen zum Tragen.
Nicht nur die genetische Veranlagung und das Alter spielen bei der Krebsentstehung eine entscheidende Rolle. Auch zahlreiche andere Faktoren beeinflussen das Risiko, eine Tumorerkrankung zu entwickeln. Dazu gehören beispielsweise das Rauchen, die Ernährungsweise, das Gewicht – und die Körpergröße. Dieser überraschende Zusammenhang zeigt sich bei der Analyse von epidemiologischen Daten immer wieder. Pro zehn Zentimeter mehr auf der Messlatte steigt das Erkrankungsrisiko demnach um rund zehn Prozent. Doch woran liegt das? Eine mögliche Erklärung ist die Anzahl der Körperzellen. Denn mit zunehmender Körpergröße gibt es auch mehr Zellen – und je mehr Zellen sich teilen, desto mehr Möglichkeiten bieten sich für zufällige, krankmachende Mutationen.
Stimmt die Theorie?
Was an diesem Erklärungsansatz dran ist, hat Leonard Nunney von der University of California in Riverside nun näher untersucht. Dafür wertete der Wissenschaftler vier große Studien mit zehntausenden Teilnehmern aus, die das Auftreten von 23 unterschiedlichen Tumorerkrankungen bei Männern und Frauen dokumentiert hatten. In allen Untersuchungen waren Informationen zum Alter, Body-Mass-Index (BMI), Rauchen und weiteren Risikofaktoren erhoben worden, die das Krebsrisiko maßgeblich beeinflussen. Die Daten aus diesen Erhebungen testete Nunney gegen ein Krebsentstehungsmodell, welches die Zellzahl-Hypothese mitberücksichtigte. Würden die echten Patientendaten zu den Vorhersagen dieses Modells passen?
Die Auswertungen zeigten: Im Schnitt stieg das Krebsrisiko pro zehn Zentimeter Körpergröße um zwölf Prozent bei Frauen und um neun Prozent bei Männern. “Damit liegen die Ergebnisse dicht an den berechneten Erwartungen von 13 und elf Prozent”, schreibt Nunney. Grundsätzlich scheinen die Daten also die Zellzahl-Hypothese zu untermauern, wie der Forscher betont. Allerdings identifizierte er auch Abweichungen: Bei Melanomen beispielsweise war der Zusammenhang zwischen Körpergröße und Krebsrisiko zu stark, um allein durch die größere Anzahl an Zellen erklärt werden zu können. Möglicherweise könnte hier ein zweiter Einflussfaktor zum Tragen kommen – die Zellteilungsrate. Nunney zufolge zeigen Studien, dass größere Menschen mehr des Wachstumsfaktors IGF-1 in sich tragen. Dieser Botenstoff regt nachweislich die Proliferation von Keratinozyten, Fibroblasten und anderen Hautzellen an – und könnte somit das Hautkrebsrisiko beeinflussen.
Wenige Ausnahmen
Fünf der 23 untersuchten Krebsarten schienen zudem nicht signifikant mit der Körpergröße zusammenzuhängen: Pankreas-, Speiseröhren-, Magen- und Mundkrebs sowie Gebärmutterhalskrebs. “Es ist möglich, dass die Zellzahl in diesen Geweben nicht mit der Körpergröße korreliert – doch das ist eher unwahrscheinlich”, schreibt Nunney dazu. Naheliegender scheint seiner Ansicht nach folgende Erklärung: Diese Tumorerkrankungen werden stark von Umweltfaktoren wie falscher Ernährung oder Virusinfektionen beeinflusst. Der Effekt der Körpergröße könnte somit gewissermaßen von diesen Einflussgrößen überlagert werden. Dafür sprechen auch Beobachtungen aus früheren Untersuchungen: Demnach scheint sich die Körpergröße bei Nichtrauchern weitaus stärker auf das Risiko für Lungenkrebs auszuwirken als bei Rauchern.
Quelle: Leonard Nunney (University of California, Riverside), Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, doi: 10.1098/rspb.2018.1743