Sie macht euphorisch, aber auch kontaktfreudig und emotional – für diese Wirkungen ist die berühmt-berüchtigte Partydroge Ecstasy bekannt. Nun zeigt eine skurril wirkende Studie, dass die Substanz einen ähnlich sozial aktivierenden Effekt auf normalerweise einzelgängerische Oktopusse hat. Den Forschern zufolge legt diese Parallele nahe, dass nervliche Mechanismen und ihre Wirkungen auf das Verhalten überraschend tief in der Evolutionsgeschichte verwurzelt sind.
Am Anfang der Studie der Forscher um Gül Dölen von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore standen Untersuchungen des Erbguts der Kalifornischen Zweipunktkrake (Octopus bimaculoides), von der das gesamte Genom sequenziert vorliegt. Ihr Hauptinteresse galt dabei Erbanlagen, die mit der Funktion von Nervengeweben zu tun haben. Das Nervensystem und das Gehirn der Oktopusse stehen unter anderem deshalb im Fokus der Wissenschaft, weil diese Wesen zu erstaunlichen Intelligenzleistungen fähig sind, obwohl es deutliche Unterschiede zu den Hirnstrukturen der Wirbeltiere gibt. Dies liegt an der großen evolutionären Distanz: Mensch und Oktopus trennen etwa 500 Millionen Jahre der Entwicklungsgeschichte, sagen die Forscher.
Parallelen trotz evolutionärer Distanz
Dennoch stießen sie bei ihren Untersuchungen auf interessante Gemeinsamkeiten bei Genen, die mit Nervenfunktionen verknüpft sind. Es handelte sich dabei insbesondere um Genregionen, die mit der Funktion von Neurotransmittern zu tun haben, die für den Signaltransfer im Nervengewebe zuständig sind. Dölen und seine Kollegen konnten zeigen, dass Oktopusse und Menschen nahezu identische genomische Codes für den Transporter besitzen, der Serotonin an die Neuronenmembranen bindet. Dieser berühmte Neurotransmitter ist als Regulator der menschlichen Stimmung bekannt und spielt eine wichtige Rolle bei einer Reihe von psychischen Effekten und Verhaltensweisen.
So beschlossen die Wissenschaftler, dieser interessanten Parallele zwischen Oktopus und Mensch genauer nachzugehen. In diesem Zusammenhang kam das Ecstasy ins Spiel, das die wissenschaftliche Bezeichnung Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA) trägt. Der Hintergrund: Der Serotonin-bindende Transporter ist beim Menschen als Ansatzpunkt der psychoaktiven Wirkung von Ecstasy bekannt. Die Forscher wollten herausfinden, ob und wie Oktopusse auf den Wirkstoff reagieren, der bei Menschen bekanntermaßen prosoziale Verhaltensweisen verstärkt.
Kraken in Schmuse-Modus versetzt
Wie die Forscher erklären, sind Zweipunktkraken normalerweise nicht gerade gesellige Tiere – abgesehen von Paarungszwecken meiden sie Artgenossen oder reagieren sogar aggressiv auf sie. Um zu untersuchen, ob die Wirkung von Ecstasy etwas an diesem Verhalten verändert, haben die Wissenschaftler einigen Exemplaren eine Dosis der Droge verabreicht. Anschließend wurden sie in spezielle Versuchsbecken entlassen, in dem sich ein Artgenosse in einem kleinen Käfig befand.
Es zeigte sich: Während unbehandelte Kraken sich von dem Behälter mit dem Artgenossen eher fern hielten, zeigten sich die Exemplare im Ecstasy-Rausch ausgesprochen kontaktfreudig. „Sie investierten nicht nur quantitativ mehr Zeit für den Sozialkontakt, sondern auch qualitativ: Sie neigten dazu, den kleinen Käfig mit dem Artgenossen zu umarmen und ihre Mundwerkzeuge darauf zu legen“, berichtet Dölen. “Menschen reagieren ähnlich auf Ecstasy – sie berühren sich häufiger“, so der Wissenschaftler.
Ihm zufolge hat der Effekt bei den Oktopussen vermutlich damit zu tun, dass sich ihr Verhalten unter bestimmten Umständen von einzelgängerisch auf kontaktfreudig umschalten lässt. “Die Kraken können zum Beispiel ihr antisoziales Verhalten für die Paarung vorübergehend aufheben“, erklärt Dölen. Genau diesen Effekt vermittelt offenbar auch das Ecstasy.
“Obwohl die Gehirne von Kraken eher denen von Schnecken ähneln, weisen sie Mechanismen auf, die zu ähnlichen Verhaltensweise wie bei uns Menschen führen“, resümiert Dölen das Studienergebnis. “Dies legt wiederum nahe, dass bestimmte Botenstoffsysteme des Gehirns, die mit sozialen Verhaltensweisen verknüpft sind, weit im Tierreich verbreitet sind”, sagt der Wissenschaftler. Diesem Forschungsthema wollen sich er und seine Kollegen nun auch weiterhin widmen. Es geht dabei unter anderem um die Frage, inwieweit sich auch Oktopusse als Modelltiere für die Hirnforschung eignen.