Die ewige Debatte ums Frühstück
Wie es in vielen Fragen der Ernährung seit Jahren der Fall ist, so verhält es sich auch mit jener, ob das Frühstück für den Körper gut oder schlecht ist – Man streitet sich. Laut sind die Stimmen der Frühstücks-Kritiker: Besonders ungesund sei das Frühstück deshalb, weil morgens überflüssige Kalorien zugeführt würden, die zusätzlich zu denen bei Mittag- und Abendessen hinzukämen, da jene sich durch das morgendliche Mahl nicht reduzierten.
Der britische Wissenschaftler Terence Kealey geht sogar so weit zu sagen, das Frühstück sei eine gefährliche Sache. In seinem bezeichnenden Buch „Breakfast is a dangerous meal“ erklärt er, dass die morgendliche Mahlzeit das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, Übergewicht und Diabetes erhöhe. Essen am Morgen sei keineswegs unverzichtbar; der Irrglaube, dass dies so sei, halte sich nur dank er Werbung und der Lebensmittelindustrie – Insbesondere jener für Müsli und für Frühstücksflocken. Um diese Theorien zu belegen, führt Kealey in seinem Buch auch einige Studien an. Das größte Problem der frühen Mahlzeiten sei, dass diese meist extrem kohlenhydratlastig sind und damit den Blutzuckerspiegel, der morgens sowieso schon sehr hoch ist, noch weiter in die Höhe treiben. Die Folge davon seien hohe Insulin-Ausschüttungen, die wiederum zu schnellem Hunger nach mehr Essen führten. So nehme man im Laufe des Tages mehr Kalorien zu sich, als gesund. Außerdem erhöhe sich daher auch mit dem Frühstück das Risiko, eine Insulinresistenz zu entwickeln.
Andere Wissenschaftler widersprechen Kealey und Gleichdenkenden. Sie sind der Auffassung, dass Menschen, die frühstücken, gesünder leben und seltener an Übergewicht und Diabetes leiden sowie weniger verstopfte Arterien haben. Auch hierzu gab es diverse Studien, bei denen aber immer wieder kritisiert wurde, dass deren Ergebnisse Auslagesache seien und dass man ihnen keine Allgemeingültigkeit zusprechen könne. Dass es sich mit Ernährungsstudien derart verhält, ist nichts Neues und zu jeder Studie scheint es irgendwo auch eine passende Gegenstudie zu geben.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) jedenfalls, die keine allgemeinen Empfehlungen dazu geben will, wann und wie oft ein Erwachsener am Tag essen sollte, hat, zumindest was Kinder angeht, eine klare Meinung: „Am besten sollte der Tag mit einem vollwertigen Frühstück vor dem Unterricht und einem zweiten in der Schule beginnen. […] Optimal ist es, wenn sich das erste Frühstück zu Hause und die Zwischenverpflegung in der Schule ergänzen. Kinder, die zu Hause wenig oder gar nicht gefrühstückt haben, brauchen in der Schule eine energiereichere Pausenverpflegung, als Mitschüler, die gut gestärkt in die Schule kommen.“
Braucht der Körper unbedingt eine morgendliche Mahlzeit?
Betrachtet man das Thema aus evolutionsgeschichtlicher Sicht, so zeigt sich, dass der Mensch durchaus nicht auf die Nahrungsaufnahme am Morgen angewiesen ist. Den Urmenschen beispielsweise stand in der Regel überhaupt keine Nahrung direkt nach dem Aufstehen zur Verfügung. Sie hatten stattdessen genügend Energie, um nach dem Aufwachen zunächst jagen zu gehen und sich ihr Frühstück sozusagen durch Arbeit „zu verdienen“. Erst nach dem Verbrennen der ersten paar Kalorien konnte dann gegessen werden. Und wie bereits an vorheriger Stelle erwähnt, ist der Blutzuckerspiegel auch heute noch nach dem Aufstehen für mehrere Stunden eher hoch – Was bedeutet, dass in diesem Zeitrahmen eigentlich Leistung in Form von Energieverbrauch gebracht werden könnte. Das es also eines ordentlichen Frühstücks bedarf, um morgens etwas tun zu können, ist aus wissenschaftlicher Sicht falsch. Außerdem tragen zu einem guten Start in den Tag noch einige andere Dinge bei. Erholsamer Schlaf und frische Luft am Morgen sind nur zwei offensichtliche dieser Faktoren.
Übrigens ist das erste historisch belegte Frühstück im Ägypten anzusiedeln. Forscher am Nil haben herausgefunden, dass die Ägypter drei Mahlzeiten am Tag zu sich nahmen. Zum Frühstück gab es bei ihnen meistens Gebäck und Obst oder Mandeln. Dazu wurde Wein oder Bier getrunken. Und auch in Homers „Odyssee“, die mehrere Jahrhunderte vor Christus Geburt entstand, ist die Rede vom Frühstück. Außerdem weiß man, dass römische Soldaten morgens einen Brei aus Gerste oder Dinkel aßen, sobald die Sonne aufging.
Frühstück als emotionaler Start in den Alltag
Dass das Frühstück für viele Menschen heutzutage so wichtig geworden ist und dass viele sich nicht vorstellen können, ‚ohne etwas im Bauch‘ das Haus zu verlassen, mag nicht nur an einer Werbe- und Lebensmittelindustrie liegen, die daran interessiert ist, dass Konsumenten diesem Glauben erliegen. Vielmehr lässt sich das weltweit zu beobachtende Phänomen darauf zurückführen, dass um das morgendliche Mahl ein individuell-kulturelles Lebensgefühl entstanden ist. Jede Kultur hat dabei ihre eigenen Rituale und ihre eigenen Speisen und Getränke:
- In Japan frühstückt man gemeinsam zu Tisch Miso-Suppe oder Fisch oder nimmt das Essen in einer Box mit zur Schule oder auf die Arbeit
- In den USA oder Kanada werden gerne zu Hause oder im Diner Pfannkuchen, Waffeln mit Ahornsirup oder Würstchen und Toasts gegessen
- In Frankreich, Spanien und insbesondere in Italien fällt das Frühstück dagegen mit einem Kaffee und einem Gebäckstück oder einem Croissant viel spärlicher aus. Gegessen wird außerdem unterwegs zur Arbeit in einem kleinen Café, wo auch noch ein Plausch geführt wieder oder es wird einfach aus der Hand gefrühstückt
Für viele Menschen gehört das Frühstück zum Morgen, wie das Aufstehen, das Zähneputzen und das Anziehen. Ohne diesen Bestandteil der morgendlichen Routine würde etwas fehlen. Und das mag bei manchen Menschen zu echter Verunsicherung oder schlechter Laune führen. Ob das Frühstück hier also positiv wirkt, weil Energie über die Nahrung zugeführt wird oder ob es sich alleine um eine emotionale Komponente am Morgen handelt sei dahingestellt – Solange es wirkt und bestenfalls nicht enorm kalorienreich und mit viel Zucker stattfindet, muss das Frühstück nicht zwangsläufig ungesund sein.
Frühstück ja, aber bitte gesund!
Leider sind die meisten Fertigmüslis, die gerade auch die jüngeren Deutschen gerne zu sich nehmen, extrem zuckerhaltig. Manche Cerealien, die ausgerechnet für Kinder beworben werden, haben einen Zuckeranteil von bis zu 50%. Selbst in Früchtemüslis, die nicht zusätzlich gezuckert sind, finden sich häufig mehr als 20% Zucker.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass vor allem für Kinder ein kleines Frühstück sinnvoll sein kann. Wichtig ist aber, dass dieses eben gesund und bestenfalls mit wenig Zucker daherkommt. Das typische schnelle Frühstück, wie etwa ein Croissant, ein Muffin, ein Donut oder ein sonstiges Gebäckstück ist nicht empfehlenswert. Denn all diese Dinge enthalten viel Fett und Zucker, aber nur wenig Proteine. Genauso verhält es sich selbstverständlich mit dem erwähnten extrem zuckerhaltigen Müsli.
Stattdessen ist etwa ein selbstgemachtes Birchermüsli eine gute Grundlage am Morgen. Klassisch werden dafür über Nacht Haferflocken in Wasser eingeweicht. Am Morgen wird das Ganze dann mit Milch, dem Saft einer halben oder wahlweise auch einer ganzen ausgepressten Zitrone und mit einem frisch geriebenen Apfel verrührt. Dazu kann beispielsweise ein gekochtes Ei gegessen werden, da dieses den Körper mit wichtigem Eiweiß versorgt. Jenes kann, genau wie die Kohlenhydrate in den Haferflocken, nur langsam aufgeschlüsselt werden. Deshalb hält diese Kombination mitunter mehrere Stunden satt.
Es gilt also: Eine klare Antwort darauf, ob das Frühstück gesund ist oder nicht, gibt es nicht. Wirklich wichtig ist es aber im Grunde nicht. Letztlich kann jeder selbst bestimmen, was und wieviel gegessen wird. Wenn schon Frühstück, dann macht es aus wissenschaftlicher und gesundheitlicher Sicht Sinn, komplexe Kohlenhydrate und Eiweiß zu kombinieren. Von Fett und Zucker ist abzuraten.
20.09.2018