Damit Impfstoffe möglichst effektiv wirken, werden natürliche Öle wie Squalen als Wirkverstärker eingesetzt. Hauptressource dieses Öls ist derzeit die Leber von Tiefseehaien – Millionen Haie sterben dafür pro Jahr. Doch auch mithilfe von Hefe lässt sich dieser Adjuvanz-Rohstoff produzieren, wie nun Forscher herausgefunden haben. In großen Mengen könnten die Mikroorganismen zu einer nachhaltigen Quelle des Öls werden, die die Haie und die Umwelt schonen.
Damit Impfstoffe das Immunsystem möglichst gut auf Krankheitserreger vorbereiten, werden ihnen häufig Hilfsstoffe – sogenannte Adjuvanzien – zugefügt. Diese Stoffe verstärken den Effekt der Impfseren, indem sie für eine bessere Aufnahme der Vakzine in die Zellen sorgen und die Immunantwort des Körpers intensivieren. Dadurch kommt es zu weniger Ausfällen der Impfwirkung und es wird eine geringere Dosis des Impfstoffs benötigt. Zusätzlich schützt der Impfstoff durch die Adjuvanzien auch vor Krankheitskeimen, die dem Erreger ähnlich sind.
Dem Haisterben ein Ende setzen
Besonders häufig verwenden Mediziner das Lipid Squalen als Impfstoff-Verstärker. Seit Jahren wird dieses Öl aus der Leber von ohnehin bereits gefährdeten Tiefseehaien gewonnen. Für eine Tonne Squalen sterben ungefähr 3.000 Haie – Umweltbehörden gehen jährlich von bis zu drei Millionen für das Öl getöteten Tieren aus. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie wird das zu einer Bedrohung: Jüngsten Schätzungen zufolge müssten für einen weltweiten Corona-Impfstoff mehr als eine halbe Millionen Haie getötet werden.
Deshalb hat nun ein Forscherteam um Harald Pichler vom Austrian Centre of Industrial Biotechnology und der Universität Graz nach einer alternativen und umweltschonenderen Quelle des wichtigen Öls gesucht. Das Problem: Zu natürlichen Squalen-Produzenten zählen zwar auch Pflanzen wie Zuckerrohr, Amaranth oder Olivenbäume, jedoch produzieren sie erheblich geringere Mengen des Lipids und gelten als wichtige Nahrungsmittel. Zudem hängt der Squalen-Gehalt in den Pflanzen von den Temperaturen, Klima- und Bodenbedingungen ab. Öl aus pflanzlichen Quellen ist daher 30 Prozent teurer als tierisches Squalen.
Mikroorganismen als Hoffnungsträger
Für ihre Studie untersuchten die Forscher Mikroorganismen als mögliche, alternative Öl-Quelle: Dazu züchteten sie den Hefestamm Saccharomyces cerevisiae – handelsübliche Bäckerhefe – in Bioreaktoren an. Bereits bekannt war, dass dieser Hefestamm natürlicherweise das Lipid herstellen kann, doch nur in geringer Menge. Deshalb nutzten die Wissenschaftler gentechnische Methoden, um die Ölproduktion der Hefen zu steigern – und das mit Erfolg: „Nachdem dieser Hefestamm natürlicherweise bereits dieses Lipid produziert, konnten wir durch Metabolic Engineering bestimmte Stoffwechselwege so modulieren, dass die Hefezellen plötzlich ein Vielfaches an Squalen anreichern“, erklärt Pichler ihre Entdeckung. Die Forscher erhielten dadurch in ihrer Untersuchung bereits mehrere Gramm an reinem Squalen.
Ihr Test ist der weltweit erste Beleg dafür, dass auch Mikroorganismen im Labor großen Mengen Squalen herstellen können. „Wir haben bewiesen, dass der Prozess im Labormaßstab funktioniert“, fasst Pichler zusammen. Die Forscher arbeiten nun daran, die Stämme weiterzuentwickeln, um sie auch in der Industrie verwenden zu können. „Mit Industriebeteiligung könnte Squalen zukünftig in großem Maßstab produziert werden und daher pflanzliche und tierische Squalen-Quellen zur Gänze ersetzen“, sagt Pichler. Da sich Squalen als Impfstoffträger bereits in Impfstoffen gegen Influenzaviren und die Coronaviren SARS-CoV und MERS-CoV bewährte, könnte das mikrobielle Adjuvans auch in potenziellen Corona-Impfstoffen hilfreich sein, vermutet das Forscherteam.
Und das hätte langfristig große Vorteile: Mikroorganismen können dank ihres schnellen Wachstums und ihrer Anpassungsfähigkeit besonders zahlreich vermehrt und für die Herstellung von Squalen optimiert werden. Zudem liefern sie eine gleichbleibende Qualität des Öls. Außerdem stammen die Nährstoffe für die Kleinstlebewesen aus billigen und nachhaltigen Kohlenstoffquellen wie zum Beispiel Essensabfällen, landwirtschaftlicher Biomasse und Melasse oder aus Glycerin als Nebenprodukt der Biodieselproduktion. Demnach ersetzten sie tierische und pflanzliche Quellen zur Herstellung der wichtigen Adjuvanzien und schonen so die Umwelt.
Quelle: Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB)