Das Epstein-Barr-Virus kann Pfeiffersches Drüsenfieber auslösen und zu Folgeerkrankungen wie Multiple Sklerose und Krebs führen. Zugelassene Impfstoffe gibt es bislang noch nicht. Ein Forschungsteam hat nun einen potenziellen Impfstoffkandidaten an Mäusen getestet. Der Impfstoff sorgt für die Bildung von Antikörpern und aktiviert die T-Zell-Antwort des Immunsystems gegen den Erreger. Ob er eine Infektion verhindern kann, ist jedoch noch unklar. Die Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass die Impfung das Risiko für Folgeerkrankungen verringern könnte. Studien an Menschen sollen folgen.
Die meisten Menschen in Deutschland tragen das Epstein-Barr-Virus (EBV) in sich. Das Virus gehört zur Familie der Herpesviren und verbleibt nach einer Infektion dauerhaft in versteckten Reservoirs im Körper. Dabei nistet es sich bevorzugt in B-Zellen ein, den für die Antikörperproduktion wichtigen Zellen des Immunsystems. Findet der erste Kontakt mit dem Virus bereits im Kindesalter statt, zeigen sich meist keine Symptome. Wer sich aber erst im Erwachsenenalter erstmals infiziert, kann an Pfeifferschem Drüsenfieber erkranken, das oft wochenlang grippeartige Symptome auslöst. Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass Personen, die Pfeiffersches Drüsenfieber hatten, ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen haben, darunter Multiple Sklerose (MS) und bestimmte Krebsarten wie Lymphome und Tumoren des Nasen-Rachenraums. Derzeit befinden sich zwar mehrere Impfstoffkandidaten in der Entwicklung, zugelassen ist aber noch keiner.
Kombination aus Antikörpern und T-Zell-Antwort
Ein Team um Vijayendra Dasari vom Berghofer Medical Research Institute in Brisbane in Australien hat nun einen potenziellen neuen Impfstoff entwickelt und erfolgreich an Mäusen getestet. „Bisherige Versuche haben sich primär darauf konzentriert, Antikörper gegen das Virus zu erzeugen“, erklärt Dasaris Kollege Rajiv Khanna. „Unser Impfstoff spricht zusätzlich einen anderen Arm des Immunsystems an, die T-Zellen.“ T-Zellen erkennen infizierte Zellen im Körper und zerstören sie, dadurch hemmen sie die Vermehrung des Virus. Vorangegangene Forschungen hatten nahegelegt, dass die T-Zell-Antwort entscheidend ist, wenn das Immunsystem das Virus langfristig in Schach halten soll.
Für den Impfstoff verwendeten die Forschenden ein bekanntes Oberflächenprotein von EBV namens gp350 und einem Komplex aus 20 verschiedenen Virusabschnitten, die von T-Zellen des Immunsystems erkannt werden. Die Proteinfragmente kombinierten sie mit einem neuen Adjuvanz, also einem Wirkverstärker, namens AMP-CpG. Dieser Zusatzstoff sorgt dafür, dass der Impfstoff möglichst gut an seinen wichtigsten Wirkort, die Lymphknoten, gelangt.
Solide Immunantwort
Um den Impfstoff zu testen, nutzten die Forschenden Mäuse, deren Immunsystem durch genetische Veränderungen dem menschlichen angeglichen wurde. Und tatsächlich: Der Impfstoff aktivierte sowohl die Bildung von Antikörpern, also die humorale Immunreaktion, als auch die T-Zell-Antwort, also die zelluläre Immunreaktion. Die Effekte blieben bei den Mäusen über mindestens sieben Monate nach Verabreichung des Impfstoffs bestehen. „Diese Kombination aus breiter humoraler und zellulärer Immunität gegen mehrere virale Komponenten bietet wahrscheinlich einen besseren Schutz gegen Primärinfektionen und kann latent infizierte B-Zellen unter Kontrolle halten, was zu einem Schutz gegen die Entwicklung EBV-assoziierter Krankheiten führt“, schreibt das Forschungsteam.
Fachkollegen, die nicht an der Studie beteiligt waren, halten den neuen Impfstoffkandidaten ebenfalls für potenziell vielversprechend, weisen aber auch auf Schwächen der Studie hin. „Eine große Limitation der Studie ist, dass die Forschenden keine Challenge-Versuche durchgeführt haben – also keine Ergebnisse dazu präsentieren können, ob die Impfung die Mäuse tatsächlich vor einer Infektion schützt, wenn sie dem Virus ausgesetzt sind“, sagt Henri-Jacques Delecluse vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Ob der Impfstoff tatsächlich Infektionen verhindern kann, hält er für fraglich.
Wirkung gegen Folgeerkrankungen
Auch nach einer natürlichen Infektion kann es vorkommen, dass Menschen sich erneut mit EBV infizieren – wenn auch symptomlos. „Hat eine Impfung also zum Ziel, das Virus vollständig aus dem Körper zu entfernen oder initial fernzuhalten und Reservoirs zu verhindern, müsste sie also eine viel bessere Immunantwort hervorrufen können als bei natürlichen Infektionen der Fall“, erklärt Delecluse. Doch selbst wenn der Impfstoff keine sogenannte sterile Immunität erzeugt und sich Geimpfte dennoch infizieren können, könnte er einen großen Nutzen bringen. „Unser wichtigstes Ziel bei der Impfstoffentwicklung war, Folgeerkrankungen zu verhindern“, erklärt Khanna. “Die Immunantwort soll infizierte B-Zellen in einem frühen Stadium der Infektion davon abhalten, Entzündungsreaktionen und sekundäre Krankheiten auszulösen.“
Um diese Wirksamkeit zu testen, pflanzten die Forschenden einer anderen Gruppe von Versuchsmäusen Tumorzellen ein, die typisch für B-Zell-Lymphome sind, die in Folge einer EBV-Infektion entstehen. Manche der Mäuse behandelten sie mit dem Blutserum geimpfter Mäuse, das Antikörper und T-Zellen gegen das Virus enthielt. Im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe wuchsen die Tumoren bei diesen Mäusen wesentlich langsamer. Die Forschenden sehen darin einen starken Hinweis, dass die durch den Impfstoff ausgelöste Immunantwort tatsächlich das Krebsrisiko durch EBV verringern kann. Auch eine therapeutische Anwendung bei bereits entstandenen Tumoren wäre aus ihrer Sicht denkbar. Inwieweit die Ergebnisse auf Menschen übertragbar sind, sollen nun klinische Studien zeigen.
Quelle: Vijayendra Dasari (Berghofer Medical Research Institute, Brisbane, Australien) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-39770-1