Das körpereigene Hormon Fibroblast Growth Factor 21 (FGF21) reguliert den Appetit und wirkt sich positiv auf den Stoffwechsel aus. Forscher haben nun einen Antikörper hergestellt, der an die gleichen Rezeptoren bindet wie das Hormon. Er entfaltet dadurch die gleiche Wirkung, bleibt aber länger im Körper verfügbar. In einer ersten Studie haben sie seine potenzielle Eignung als Schlankheitsmittel überprüft. Tatsächlich führte eine einmalige Injektion bei den Probanden zu einer leichten Gewichtsreduktion und zügelte ihren Appetit auf Süßes – allerdings hielt diese Wirkung nicht lange an.
Je nach Ernährung produziert der Körper unterschiedlichen Mengen des Hormons FGF21. Frühere Studien haben gezeigt, dass es vor allem bei einer kohlenhydratreichen Ernährung hohe Konzentrationen im Blut erreicht. Auch bei Diabetikern und stark übergewichtigen Menschen ist der Spiegel erhöht. In einer Art Feedback-Schleife reduziert das Hormon unter anderem offenbar den Appetit auf weitere Kohlenhydrate. Sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen führten FGF21-Injektionen zu verringertem Hungergefühl und Gewichtsreduktion. Da das Hormon schnell im Körper abgebaut wird, wären für einen therapeutischen Einsatz allerdings regelmäßige Injektionen erforderlich.
Schlank durch Antikörper?
Ein Team um Amos Baruch von dem kalifornischen Biotechnologie-Unternehmen Genentech hat nun einen Antikörper entwickelt, der an die gleichen Rezeptoren bindet wie FGF21, aber länger im Körper verfügbar bleibt. Auf diese Weise sollen deutlich seltenere Injektionen für den gleichen Effekt sorgen wie FGF21. Um die Sicherheit des experimentellen Antikörpers zu testen und erste Hinweise auf seine Wirksamkeit zu sammeln, rekrutierten die Genentech-Forscher für ihre Phase-1-Studie 71 übergewichtige, aber ansonsten gesunde Erwachsene. 53 von ihnen bekamen den Antikörper einmalig in unterschiedlicher Dosis injiziert, 18 Personen erhielten stattdessen ein Placebo.
Um die Kalorienaufnahme der Versuchspersonen zu kontrollieren, erhielten zunächst alle die gleiche Kost. Nach einer Woche hatten Personen aus der Antikörper-Gruppe im Durchschnitt 1,2 Kilogramm abgenommen, Personen aus der Placebo-Gruppe 0,28 Kilogramm, wie die Forscher berichten. Dabei nahmen die Probanden, die die höchste Antikörper-Dosis erhalten hatten, am stärksten ab. Offenbar kurbelt der Antikörper demnach den Stoffwechsel an und führt bei gleicher Ernährung zu einem höheren Kalorienverbrauch. Nachdem die Probanden allerdings wieder selbst über ihre Ernährung bestimmen konnten, glich sich der Effekt schnell aus: Nach drei Tagen hatten sie ihr altes Gewicht zurück.
Weniger Hunger auf Süßes
Mit Hilfe von Fragebögen und Nachuntersuchungen erhoben die Forscher auch langfristige Effekte. Die Blutfettwerte der Probanden aus der Antikörper-Gruppe verbesserten sich nach der Injektion. Wie lange der positive Effekt anhielt, war von der Dosis abhängig. Personen, die die höchste Antikörper-Dosis erhalten hatten, hatten noch 60 Tage nach der Injektion bessere Cholesterinwerte als zuvor.
Zusätzlich sollten die Probanden per Fragebogen ihr Hungergefühl bewerten. Personen aus der Antikörper-Gruppe gaben in den Wochen nach der Injektion an, dass sie weniger Appetit auf Kohlenhydrate und insbesondere auf Süßes verspürten. Auch dieser Effekt war abhängig von der injizierten Dosis. Insgesamt zeigte sich jedoch nur ein geringfügiger Einfluss auf das Hungergefühl. Nach einem Monat aßen die Probanden – abgesehen von denen mit der höchsten Dosis – durchschnittlich sogar mehr als vor der Injektion. In einem anderen Teil der Studie hatten die Forscher dagegen an Affen gezeigt, dass die Tiere nach der Injektion deutlich weniger Nahrung zu sich nahmen und dadurch deutlich an Gewicht verloren.
Weitere Studien geplant
Die Nebenwirkungen der experimentellen Therapie waren den Forschern zufolge nur geringfügig. 41,5 Prozent der Personen aus der Antikörper-Gruppe berichteten von Übelkeit, je 22,6 Prozent von Durchfall und Erbrechen. Diese Nebenwirkungen waren bei höherer Dosierung häufiger. „Generell wurde der Antikörper gut vertragen“, fassen die Forscher zusammen. „Insgesamt legen unsere Daten nahe, dass die Behandlung mit dem Antikörper eine Gewichtsreduktion bewirkt, ohne den Appetit merklich zu verringern, wobei eine Abneigung gegen die Aufnahme von Kohlenhydraten möglich ist.“ Das Unternehmen Genentech, eine Tochterfirma des Schweizer Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche, arbeitet bereits an weiteren Studien, die zeigen sollen, inwieweit die Antikörpertherapie tatsächlich zur Behandlung übergewichtiger Patienten geeignet ist.
Quelle: Amos Baruch (Genentech, Inc., South San Francisco) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.2012073117