Es lohnt sich auszuloten, was vorhandene Medikamente noch so alles können, verdeutlicht eine Studie: Ein bekanntes Herzmedikament kann vor den Giften eines berüchtigten Erregers von Darmentzündungen schützen, haben Forscher festgestellt. Die Ergebnisse lassen hoffen, dass der Wirkstoff Amiodaron zukünftig geschwächte Patienten vor gefährlichen Antibiotika-assoziierten Durchfällen und Darmentzündungen durch den Erreger Clostridioides difficile bewahren könnte, sagen die Wissenschaftler.
Durch die vielen kranken Menschen, bestimmte Behandlungsverfahren und den massiven Einsatz von Antibiotika können sie im klinischen Umfeld gut gedeihen und immer mehr Gefahrenpotenzial entfalten: Die sogenannten Krankenhauskeime in Schach zu halten, stellt die moderne Medizin vor enorme Herausforderungen. Als einer der schlimmsten Vertreter dieser Mikroben gilt dabei das Darm-Bakterium Clostridioides difficile. Es wird vor allem nach Antibiotikabehandlungen zum Problem. Denn dabei werden neben den eigentlichen Behandlungszielen auch die nützlichen Mikroben in unserem Darm abgetötet. Die Chance auf Wiederbesiedlung kann dabei C. difficile oft besonders effizient nutzen – mit üblen Folgen.
Hartnäckige Giftmischer im Darm
„Dieser Erreger kann sich dann ungehindert vermehren und scheidet dabei seine Proteintoxine TcdA und TcdB aus“, erklärt Seniorautor Panagiotis Papatheodorou vom Ulmer Universitätsklinikum. Diese Gifte können dann bekanntermaßen fatale Wirkung entfalten: Sie verursachen die sogenannte Antibiotika-assoziierte Diarrhoe oder im schlimmsten Fall auch die pseudomembranöse Kolitis, eine lebensbedrohliche Darmentzündung. Für ohnehin schon geschwächte Patienten, etwa auf Intensivstationen, stellen die C.-difficile-Toxine deshalb eine große Gefahr dar. Bisher gibt es aber kaum Möglichkeiten einer Behandlung und das Bakterium entwickelt zudem immer mehr Resistenzen gegen gängige Antibiotika. Deshalb haben sich Papatheodorou und sein Team der Suche nach neuen Ansätzen für den Kampf gegen das klinische Problem gewidmet.
Konkret war das Ziel, die Zellvergiftung durch C. difficile pharmakologisch zu verhindern. Statt ganz neue Wirkstoffe zu entwickeln, loteten die Forscher dabei das Potenzial des Umfunktionierens aus – des sogenannten Drug Repurposings. Dieser Ansatz wird genutzt, wenn bereits ein möglicher Angriffspunkt bekannt ist, der durch schon entwickelte Medikamente attackiert werden könnte. „Als der geeignete Angriffspunkt, um die Giftstoffe von C. difficile gezielt zu hemmen, erschien ihre Abhängigkeit von Cholesterin in den Membranen der Wirtszellen“, sagt Co-Autor Holger Barth vom Ulmer Universitätsklinikum. Denn es ist bekannt, dass TcdA und TcdB über diese fettartige Substanz in die Opfer gelangen. Senkt man nun den Cholesterinspiegel mit Medikamenten ab, könnte eine Vergiftung ausbleiben, so die Idee. Deshalb machten sich die Wissenschaftler auf die Suche nach möglicherweise geeigneten Wirkstoffen unter den bekannten Medikamenten mit Einfluss auf Cholesterin.
Erfolgreiches Drug Repurposing
Als Treffer stellte sich dann der Wirkstoff Amiodaron heraus. „Er wird eigentlich als Antiarrhythmikum zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt“, erklärt Erst-Autorin Judith Schumacher vom Ulmer Universitätsklinikum. „Die Literaturrecherche hatte allerdings aufgezeigt, dass Amiodaron in spezieller Weise Cholesterin-senkend wirkt. Wir prüften daher, ob eine Vorinkubation mit Amiodaron kultivierte Zellen auch vor einer Vergiftung mit TcdA und TcdB schützen kann“, berichtet die Forscherin. Das Team führte dazu zunächst Experimente an im Labor kultivierten Säugetier- und Humanzellen durch. Als sich dabei vielversprechende Ergebnisse zeigten, gingen sie auch zu Tests an im Labor gezüchteten dreidimensionalen Modellen des menschlichen Darms über. An diesen Organoiden konnten die Forschenden dann detailliert den zellulären Effekt der Gifte und die Wirkung des vielversprechenden Wirkstoffs untersuchten.
„Unsere Grundannahme, dass Amiodaron aufgrund seiner Cholesterin-senkenden Wirkung in Zellen als Hemmstoff für TcdA und TcdB aus C. difficile infrage kommt, konnte dabei bestätigt werden“, sagt Schumacher. Durch die Senkung des Cholesteringehalts in den Zellmembranen konnte demnach verhindert werden, dass toxische Mengen der Gifte für Zerstörungen im Inneren sorgen. Außerdem stellte das Team fest, dass Amiodaron die Toxine noch über einen weiteren Mechanismus hemmt. „Um ihren toxischen Anteil in das Zellinnere zu transportieren, bilden die Toxine eine Membranpore“, erklärt Papatheodorou. „Unseren Daten nach hemmt Amiodaron diesen Vorgang, indem es direkt mit dieser Membranpore wechselwirkt – selbst bei TcdA- und TcdB-Varianten aus einem besonders virulenten und epidemisch auftretenden C.-difficile-Stamm“, sagt der Wissenschaftler.
Das Team sieht damit nun erhebliches Potenzial für den Wirkstoff bei der Behandlung der gefürchteten Infektionen mit dem giftigen Erreger. Dabei kann nun auch der zentrale Vorteil beim Drug Repurposings zum Tragen kommen: kürzere Weiterentwicklungs- und Zulassungszeiten sowie ein geringeres Risiko für unerwünschte Wirkungen. „Zunächst sind zwar noch klinische Studien zur Wirkung nötig. Doch es scheint möglich, dass sich das Herzmedikament Amiodaron für eine Begleittherapie bei C. difficile-assoziierten Erkrankungen eignet“, sagt Papatheodorou.
Quelle: Universität Ulm, Fachartikel: Gut Microbes, doi: 10.1080/19490976.2023.2256695