Ein Promi hat seinen genetischen Code preisgegeben: der Weiße Hai. Wie aus den Analysen hervorgeht, besitzt das ausgesprochen große Genom des Raubfisches Merkmale, die für die medizinische Forschung interessant sein könnten. Denn die genetischen Besonderheiten bilden offenbar die Grundlage für die geringe Neigung des langlebigen Raubfisches zur Entwicklung von Krebs und altersbedingten Erkrankungen sowie für seine enorme Fähigkeit zur Wundheilung.
Hollywood hat ihn auf fragwürdige Weise zum Star gemacht: Der große Weiße Hai (Carcharodon carcharias) ist der berühmteste aller Raubfische. Neben seiner Länge von bis zu über sechs Metern und einem Gewicht von bis zu dreieinhalb Tonnen hat das furchterregend wirkende Meerestier allerdings weitere interessante Merkmale zu bieten: Beispielsweise erreicht er mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 73 Jahren ein beachtlich hohes Alter – bei guter Gesundheit. Außerdem ist bekannt, dass auch teils große Wunden nicht zum Tod des Räubers führen – sie heilen erstaunlich schnell und unproblematisch.
Um Einblicke in die interessante Biologie des Meeres-Promis zu gewinnen, hat sich ein internationales Forscherteam um Mahmood Shivji von der Nova Southeastern University in Fort Lauderdale nun der Erforschung der Grundlagen der Merkmale des Raubfisches gewidmet: Die Wissenschaftler haben das gesamte Genom des Weißen Hais sequenziert und einer ersten Analyse unterzogen. Außerdem führten sie genetische Untersuchungen an einem weiteren beeindruckenden und langlebigen Riesenfisch durch: dem Walhai. Die Ergebnisse verglichen sie anschließend mit genetischen Informationen anderer Lebewesen einschließlich des Menschen.
Ein spannendes Riesengenom
Wie sie berichten, zeichnete sich zunächst einmal ab: Das Genom des Weißen Hais ist ausgesprochen umfangreich – es besitzt etwa die anderthalbfache Größe des menschlichen Genoms. Wie die Forscher berichten, stießen sie im Rahmen der genetischen Analysen auf interessante Aspekte, die mit der Langlebigkeit des Weißen Hais verknüpft zu sein scheinen. Unter anderem handelt es sich dabei um Besonderheiten bei Erbanlagen, die eine Rolle bei der DNA-Reparatur beziehungsweise der Toleranz gegenüber genetischen Schäden eine Rolle spielen.
Die genetischen Besonderheiten des Weißen Hais betreffen somit Systeme, die mit der Aufrechterhaltung der sogenannten Genomstabilität verknüpft sind, erklären die Forscher. Ihnen zufolge ist die Instabilität des Genoms wiederum dafür bekannt, dass sie beim Menschen für zahlreiche Krebsarten und altersbedingte Erkrankungen verantwortlich ist. “Beim Weißen Hai gibt es eine überraschend hohe Anzahl von Genomstabilitätsgenen mit besonderen Merkmalen, was eine große Bedeutung dieser genetischen Faktoren für die Eigenschaften des langlebigen Raubfisches nahelegt“, resümiert Shivji.
Grundlagen von Genomstabilität und Wundheilung
Interessanterweise fanden die Wissenschaftler auch beim Walhai Hinweise darauf, dass sich im Laufe der Evolution dieses planktonfressenden Vertreters der Haie genetische Besonderheiten etabliert haben, die für eine besonders hohe Stabilität des Genoms sorgen. Beim Walhai handelt es sich mit bis zu über 13 Metern Länge um den größten heute lebenden Fisch. Außerdem ist er mit einer Lebenserwartung von etwa 140 Jahren ein wahrer Methusalem der Meere. Die genetischen Besonderheiten beim Weißen Hai und beim Walhai könnten somit Anpassungen sein, die eine Entwicklung von großen Körpern in Kombination mit einer langen Lebensdauer ermöglichen, sagen die Forscher.
Neben diesen Ergebnissen fanden sie auch Hinweise auf die Grundlagen einer weiteren physiologischen Besonderheit des Weißen Hais. “Wir fanden Spuren der evolutionären Entwicklung bei Erbanlagen, die mit der Wundheilung und Blutgerinnung verknüpft sind”, berichtet Co-Autor Michael Stanhope von der Cornell University. “Diese Anpassungen könnten dem berühmten Merkmal von Haien zugrunde liegen, dass bei ihnen auch große Wunden schnell und effektiv heilen”, sagt der Wissenschaftler.
Ihm und seinen Kollegen zufolge könnten im Genom des Weißen Hais somit wichtige Informationen für die Medizin stecken. “Die Instabilität des Genoms ist bei vielen menschlichen Krankheiten ein sehr wichtiges Thema. Wie sich nun abzeichnet, hat die Natur raffinierte Strategien entwickelt, um die Stabilität des Erbguts bei diesen großen und langlebigen Haien zu erhalten”, sagt Shivji. “Möglicherweise können wir demnach eine Menge von diesen Tieren lernen. Dazu gehören Informationen, die nützlich sind, um Krebs und altersbedingte Erkrankungen zu bekämpfen und die Wundheilungsbehandlung bei Menschen zu verbessern. Wir sollten nun also herausfinden, wie diese Prozesse bei diesen Tieren ablaufen”, so der Wissenschaftler.
Quelle: Nova Southeastern University, PNAS, doi: 10.1073/pnas.1819778116
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