Lange Zeit war das Verändern oder Editieren von Genen im Erbgut eine ziemlich mühsame und teure Angelegenheit. Denn dazu musste exakt das richtige Genstück ausgeschnitten und gegebenenfalls ersetzt werden – eine Leistung, die wegen der mangelnden Treffsicherheit solcher Methoden häufig schiefging. Doch dann entdeckten Forscher vor einigen Jahren einen Mechanismus, durch den Bakterien sich gegen Virenangriffe wehren: sogenannte “Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats” – kurz CRISPR. Diese besitzen zusammen mit dem Enzym Cas9 die Fähigkeit, neue DNA-Sequenzen gezielt an eine ganz bestimmte Stelle des Erbguts einzusetzen. Damit ist die Genschere CRISPR/Cas9 für Genetiker und Biotechnologen das Werkzeug, auf das sie schon lange gewartet haben: Sie ist relativ treffsicher, günstig und so einfach einzusetzen, dass Forscher die Bedeutung dieser Methode mit der des Volkswagens für die Automobil-Industrie vergleichen. Bereits jetzt wurden mit Hilfe von CRIPR/Cas9 Krankheitsgene aus Mäuse-Erbgut entfernt, virenresistente Schweine gezüchtet und Stechmücken für Malaria-Erreger ungeeignet gemacht. In China haben Forscher damit zudem schon zweimal den höchst umstrittenen Eingriff in die Keimbahn des Menschen gewagt: Sie editierten das Erbgut von befruchteten menschlichen Eizellen.
Allerdings: CIRSPR/Cas9 ist nicht unfehlbar und kann zu Fehlschnitten beim Genaustausch führen. Hinzu kommt: Eine der Hauptursachen für erbliche Krankheiten ließ sich damit bisher nicht präzise genug beseitigen: die Punktmutation. Bei dieser ist nur eine einzige Base im DNA-Strang verändert. Versuchte man bisher, dies mit Hilfe von CRISPR/Cas9 zu korrigieren, kam es sehr häufig zu zufälligen Einfügungen unerwünschter DNA-Sequenzen oder aber zum irrtümlichen Wegfall ganzer Abschnitte. Diese kollektiv als “indels” bezeichneten Fehler traten unter anderem auf, weil das Schneiden des DNA-Doppelstrangs zelleigene Reparaturmechanismen auf den Plan ruft, die ihrerseits die DNA verändern und so diese Fehler verursachen. David Liu und seine Kollegen von der Harvard University in Cambridge haben CRISPR/Cas9 nun jedoch so modifiziert, dass die Genschere die DNA nicht mehr schneidet. Stattdessen kann sie mit Hilfe angehängter Enzyme gezielt eine DNA-Base in eine andere umwandeln – und so die Punktmutationen korrigieren.
Aus C wird T
Und so funktioniert die neue Variante der Genschere: Der CRISPR-Teil sorgt wie bisher dafür, dass die Schere die gewünschte Stelle in der DNA anhand ihrer Basen-Sequenz ausfindig macht und sich dort anlagert. Damit nun das Cas9-Enzym nicht schneidet, haben Liu und seine Kollegen es deaktiviert. “Dieses katalytisch tote Cas9 behält seine Fähigkeit zum Binden an die DNA, aber schneidet den Strang nicht mehr”, erklären die Forscher. An diesen Komplex haben sie nun ein Enzym geknüpft, das die Fähigkeit besitzt, die DNA-Base Cytosin über einen Zwischenschritt in Thymin zu verwandeln. Zwei weitere Varianten sorgen dafür, dass dieser Basenaustausch effektiver und haltbarer wird. Als nächstes testeten die Forscher, ob ihre neue Genschere auch in menschlichen Zellen wirkt – und damit in der Umgebung, in der sie später eingesetzt werden soll. Dafür schleusten sie ihre CRISPR/Cas9-Variante in Zellen ein, die jeweils eine von fünf bekannten Punktmutationen aufwiesen, sowie an Zellen, die zwei Punktmutationen am APOE4-Gen besaßen – diese Mutationen gelten als Risikofaktor für Alzheimer.
Das Ergebnis: In allen Versuchsansätzen wandelte die Genschere die fehlerhaften Basen in bis zu 75 Prozent der Zellen in die richtige Base um, wie die Forscher berichten. Zudem traten nur extrem wenige Fehlumwandlungen oder Indels auf. “Diese Ergebnisse demonstrieren, dass diese Methode krankheitsauslösende Punktmutationen in Säugetierzellen effizienter und fehlerärmer korrigieren kann als alle bisher bekannten Methoden”, sagen Liu und seine Kollegen. Die Entwicklung dieses neuen, auf CRISPR/Cas9 basierenden Werkzeugs zum gezielten DNA-Basen-Austausch erweitere damit sowohl die Einsatzmöglichkeiten als auch die Effektivität des Editierens von Genen.