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Genschere „stumpf“ genutzt

Gesundheit|Medizin

Genschere “stumpf” genutzt
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Auf die Zielgenauigkeit kommt es in der Gentechnik an. (Illustration: Natali_Mis/iStock)
Gezielte Schnitte im Erbgut – dies ermöglicht die berühmte Genschere Crispr/Cas9. Doch Schnitte bergen auch Gefahren. Nun haben Forscher ein Verfahren entwickelt, das System ohne Veränderung der Gen-Sequenz zu nutzen: auf epigenetische Weise. Ohne Schnitte werden dabei gezielt bestimmte Bereiche der DNA aktiviert, um Effekte zu erzielen. Wie die Forscher berichten, haben sie mit dieser Technik bereits Erkrankungen bei Versuchstieren erfolgreich behandelt.

Die Spezifität bei der DNA-Schneidefunktion hat Crispr/Cas9 zum Hit in der Gentechnik gemacht. Sie beruht auf der Kombination eines Genabschnitts mit der Zielinformation und eines Enzyms. Dieses Gespann ist in der Lage, gezielt an bestimmte DNA-Abfolgen im Erbgut zu binden und diese herauszutrennen. Natürliche Reparaturmechanismen sorgen dann dafür, dass dieser zuvor möglicherweise fehlerhafte Abschnitt korrekt ergänzt wird. Präzise Veränderungen in den Genomen von Lebewesen sind auf diese Weise möglich. Derzeit laufen bereits Studien zur Behandlung verschiedener Krankheiten beim Menschen durch eine Crispr/Cas9-Gentherapie.

Aktivierung statt Schnitt

Doch wie die Forscher um Juan Carlos Izpisua Belmonte vom Salk Institute in La Jolla betonen, bergen die Manipulationen der Erbsubstanz mit dem Crispr/Cas9-System die Gefahr von Begleitschäden: “Das Schneiden von DNA kann neue Mutationen verursachen”, sagt Belmonte. Dieses Problem motivierte sein Team zur Entwicklung ihrer epigenetischen Editing-Technologie auf der Grundlage des Crispr/Cas9-Systems. Epigenetisch bedeutet in diesem Zusammenhang: Die Sequenz der DNA wird nicht verändert, man versieht sie stattdessen mit Schaltern, die gezielt die Aktivität bestimmter Erbanlagen beeinflussen. In den letzten Jahren hat sich zunehmend herausgestellt, dass solche Schaltermoleküle natürlicherweise stark die Merkmale von Lebewesen prägen. Belmonte und seine Kollegen setzen diese Regelelemente nun mithilfe der Spezifität des Crispr/Cas9-Systems gezielt auf bestimmte Gene.

Als Vermittler dienen ihnen dabei zwei Viren: Sie bringen den modifizierten Crispr/Cas-Komplex gemeinsam zum Wirkungsort: zur DNA in den Zellen von Lebewesen. Das eine Virus liefert dabei die Grundlage der Herstellung des Cas9-Enzyms. Das zweite Virus trägt die sogenannte Guide-RNA – die Zielinformation, an welches Gen sich die Maschinerie andocken soll. Außerdem liefert es den Schalter, der die Aktivität dieses Zielgens erhöhen soll. Die Forscher haben das System außerdem so manipuliert, dass es nur noch am Ziel bindet, aber nicht mehr schneidet. “Letztlich haben wir die modifizierte Guide-RNA verwendet, um einen Transkriptionsaktivator samt Cas9 an die Region des Genoms zu liefern, an der wir interessiert sind”, sagt Co-Autor Hsin-Kai Liao.

Erfolge im Tiermodell

Die Forscher haben bereits durch Tierversuche gezeigt, dass ihr Konzept tatsächlich funktioniert: Neben Erfolgen bei Diabetes und Nierenerkrankungen verbesserte die Therapie den Zustand von Mäusen mit Muskeldystrophie. Es handelt sich dabei um eine Beeinträchtigung der Entwicklung und Funktion der Muskulatur, die auf einer Genmutation beruht. Anstatt zu versuchen, das mutierte Gen zu korrigieren, erhöhten die Forscher die Aktivität von Genen, die den Effekt der beschädigten Erbanlage ausgleichen können. “Wir reparieren das Gen nicht – die Mutation ist immer noch da. Stattdessen arbeiten wir am Epigenom, um die Muskelfunktion zu verbessern”, bringt Belmonte das Konzept erneut auf den Punkt.

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Wie die Forscher berichten, deutet bisher nichts darauf hin, dass die Technik unerwünschte Effekte oder genetische Mutationen hervorruft. Dennoch sind nun weitere Untersuchungen erforderlich, um die Sicherheit, Praktikabilität und Effizienz des Ansatzes weiter auszuloten. Erst dann können Tests am Menschen folgen. Belmonte und seine Kollegen sehen Potenzial für die Behandlung vieler Erkrankungen. Auch neurologische Probleme stehen im Visier der Forscher: Möglicherweise könnte die Aktivierung bestimmter Gene eines Tages Alzheimer und Parkinson in die Schranken weisen, so die Hoffnung.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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