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Fledertiere: Der Code der Superkräfte

Gesundheit|Medizin

Fledertiere: Der Code der Superkräfte
Das Große Mausohr gehört zu den nun sequenzierten Fledermausarten. (Bild: Olivier Farcy)

Der Superheld „Batman“ lässt grüßen – welche genetischen Anpassungen hinter den erstaunlichen Fähigkeiten der Fledertiere stecken, zeigen nun die sequenzierten Genome von sechs Arten auf. Neben den Grundlagen ihrer Flugkünste, der Echoortung und der Langlebigkeit kann das Erbgut auch wichtige Informationen im Kampf gegen Coronavirus und Co liefern. Denn viele Zoonosen stammen von den Fledertieren und sie besitzen selbst hohe Widerstandskraft gegen die Krankheitserreger. Die Analysen der Genome haben nun bereits erste Einblicke in die genetischen Grundlagen der faszinierenden Merkmale der Fledermäuse geliefert.

Sie sind wohl die skurrilsten Vertreter der Säugetiere: Die insgesamt 1421 Arten der Fledermäuse und Flughunde haben erstaunliche Anpassungen hervorgebracht, die ihnen Lebensräume und Nahrungsquellen erschließen, die anderen Tieren nicht zugänglich sind. Berühmt sind sie vor allem für ihre Fähigkeit zum Fliegen in der Finsternis. Dazu geben sie hochfrequente Schreie von sich, deren Echos ihnen zur Ortung von Beutetieren und Hindernissen dienen.

Doch auch die Physiologie der flatternden Gesellen ist außergewöhnlich. Studien haben gezeigt, dass sie erstaunlich widerstandsfähig gegenüber Alterungsprozessen und der Entwicklung von Krebs sind. Darüber hinaus besitzen sie starke Abwehrkräfte gegen Viren. Man nimmt an, dass dies zu einer Art Wettrüsten geführt hat, wodurch sich bei den Fledertieren sehr aggressive Erreger entwickeln konnten, die auch den Menschen infizieren können: Coronavirus, Sars oder Ebola – einige besonders problematische Viren haben sich ursprünglich in Fledermäusen entwickelt.

Sechs Genome geben Geheimnisse preis

Wegen dieser besonderen Merkmale stehen die Fledertiere bereits seit einige Zeit im Fokus der Wissenschaft. Der Erforschung ihrer Genetik widmet sich dabei nun das weltweite Konsortium „Bat1K“. Nun präsentieren die Wissenschaftler Genomsequenzen von sechs Fledertieren, die alle bisherigen genetischen Untersuchungen in den Schatten stellen. „Sie ermöglichen ein besseres Verständnis, wie Fledermäuse Viren tolerieren, das Altern verlangsamen und Flug und Echoortung entwickelt haben. Mit diesem Wissen über die genetischen Eigenschaften der Fledermäuse lassen sich möglicherweise künftig Alterungsprozesse und Krankheiten des Menschen lindern”, sagt Erstautorin Emma Teeling vom University College Dublin.

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Um die genetischen Anpassungen aufzuspüren, die zu den speziellen Merkmalen der Fledertiere geführt haben, haben die Wissenschaftler die sechs Genome mit denen von anderen Säugetieren verglichen. “Es ist ausgefeilten statistischen Analysen zu verdanken, dass wir nun bereits begonnen haben, die Genetik hinter den ‘Superkräften’ der Fledermäuse aufzudecken”, sagt Co-Autorin Liliana Dávalos von der Stony Brook University. Wie sie und ihre Kollegen berichten, zeichnet sich ab, dass einige Gene im Laufe der Evolution verloren gingen, während andere neu hinzukamen.

Virustoleranz auf der Spur

„Unsere genomweiten Suchen haben Veränderungen in den Genen des Gehörs gefunden. Diese Änderungen könnten zur Echoortung beitragen”, sagt Co-Autor Michael Hiller vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden. „Darüber hinaus haben wir Duplikationen von antiviralen Genen, Änderungen in Genen des Immunsystems und den Verlust von Genen entdeckt, die Entzündungen fördern. Diese Veränderungen könnten zu der außergewöhnlichen Immunität von Fledermäusen und zu deren Toleranz gegenüber Coronaviren beitragen”, so Hiller. Auch in einem weiteren Fund spiegelt sich die Grundlage der Fähigkeit wider, Viren zu tolerieren: Die Forscher fanden in den Genomen „fossile Virensequenzen“ von vielen unterschiedlichen Erregern. Dies zeigt, dass Fledermäuse schon in der Vergangenheit vielen Virusinfektionen ausgesetzt waren, so die Wissenschaftler.

Das Team identifizierte zudem mehrere interessante genetische Regionen mit regulatorischer Funktion. „Sie könnten die Aktivität der Gene kontrollieren, die für Fledermäuse einzigartig sind. Wir konnten bereits die Wirkung von spezifischen Fledermaus-Mikro-RNAs im Labor untersuchen, um ihre Auswirkungen auf die Genregulation zu zeigen“, sagt Co-Autorin Sonja Vernes vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen. „In Zukunft könnten wir die Genome dazu nutzen, um zu verstehen, wie die regulatorischen Regionen und die Epigenomik zu den außergewöhnlichen Anpassungen beigetragen haben”, sagt die Forscherin.

Neben diesen Einblicken konnte das Team auch Licht auf die Frage werfen, wie die Fledertiere in den Stammbaum der Säuger einzuordnen sind. Es war natürlich schon lange klar, dass sie mit den „Mäusen“ nichts zu tun haben. Die Vergleiche der Fledermausgenome mit dem Erbgut von 42 anderen Säugetieren verdeutlichten nun allerdings, dass sie am engsten mit einer Gruppe namens Ferungulata verwandt sind. Zu ihnen zählen beispielsweise Fleischfresser wie Hunde und Katzen, aber auch die Huftiere.

Wie das Team betont, stehen sie mit ihrer Erforschung der Genetik der Fledertiere erst am Anfang. Sie planen, immer mehr Genome zu sequenzieren. Denn unter den 1421 Fledertierarten gibt es eine große Vielfalt in Bezug auf Ökologie, Langlebigkeit, Sinneswahrnehmung und Immunologie. Das Konsortium Bat1K wird sich also auch weiterhin der Aufklärung der genetischen Grundlage der erstaunlichen Superkräfte dieser geheimnisvollen Wesen widmen.

Quelle: Stony Brook University, Max-Planck-Gesellschaft, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-020-2486-3

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