Der in Ecstasy enthaltene Wirkstoff MDMA kann Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) helfen, mehr von einer Psychotherapie zu profitieren. Das zeigt eine klinische Studie, die auch Personen ethnischer Minderheiten einbezogen hat. Nach 18 Wochen Psychotherapie und drei begleitenden MDMA-Behandlungen hatten sich die Symptome bei 71 Prozent der Behandelten so stark gebessert, dass sie nicht mehr die Kriterien für eine PTBS erfüllten. In der Placebogruppe, die Psychotherapie ohne MDMA erhielt, waren es nur 48 Prozent. Gemeinsam mit einer vorangegangenen Studie bilden die Ergebnisse die Grundlage dafür, dass MDMA in den USA zur Behandlung von postraumatischen Belastungsstörungen zugelassen wird.
Der Wirkstoff MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) beeinflusst das Serotonin-System des Gehirns und sorgt unter anderem für eine intensivere Wahrnehmung der eigenen Emotionen. Nachdem das synthetische Amphetaminderivat in den 1960er und 70er Jahren bereits in der Psychotherapie eingesetzt wurde, verbreitete es sich ab den 1980er Jahren als Inhaltsstoff der Partydroge Ecstasy und wurde 1986 durch das Betäubungsmittelgesetz verboten. Auf dem Schwarzmarkt erhältliche Präparate enthalten neben MDMA oft zahlreiche weitere Substanzen, die schwerwiegende Nebenwirkungen bis hin zu Todesfällen verursachen können.
Ethnisch diverse Studienpopulation
Neue Studien deuten aber darauf hin, dass MDMA in der Psychotherapie wertvolle Dienste leisten kann. Ein Team um Jennifer Mitchell von der University of California in San Francisco hat nun in einer klinischen Phase-3-Studie nachgewiesen, dass der Wirkstoff die Psychotherapie bei Menschen mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) unterstützt. Bereits 2021 hatte das Team eine Studie publiziert, in der die Teilnehmenden über 18 Wochen hinweg Psychotherapie erhielten und dabei drei Mal unter therapeutischer Begleitung entweder MDMA oder ein Placebo erhielten. Dabei hatte sich gezeigt, dass die Personen aus der MDMA-Gruppe deutlich stärker von der Behandlung profitierten als die Placebogruppe, und dass die Behandlung gut verträglich war.
Allerdings nahmen an der damaligen Studie überwiegend weiße Menschen teil, sodass unklar blieb, ob die Behandlung auch für Menschen anderer Ethnien vorteilhaft ist. „Aufgrund der unterschiedlichen Traumaexposition haben ethnische Minderheiten ein unverhältnismäßig höheres Risiko, eine PTBS zu entwickeln“, erklärt das Forschungsteam. „In klinischen Studien sind sie allerdings klassischerweise unterrepräsentiert.“ Daher wiederholten Mitchell und ihr Team die Studie mit einer möglichst gemischten Gruppe an Probanden. So waren 27 Prozent der 104 Teilnehmenden der aktuellen Studie Hispanics, elf Prozent hatten asiatische und acht Prozent afrikanische Wurzeln. Alle Personen litten zu Beginn der Studie an einer mittelschweren bis schweren PTBS und hatten oft schon verschiedene Therapieversuche hinter sich.
Grundlage für Zulassung in den USA
„Die mit MDMA kombinierte Psychotherapie verbesserte die Symptomatik im Vergleich zur Placebobehandlung deutlich“, berichtet das Forschungsteam. Aus der MDMA-Gruppe profitierten 86,5 Prozent der Behandelten deutlich von der Therapie, 71,2 Prozent sogar so stark, dass sie nach 18 Wochen nicht mehr die klinischen Diagnosekriterien für eine PTBS erfüllten. Aus der Placebogruppe galt dies für 47,6 Prozent. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Muskelverspannungen, Übelkeit, verminderter Appetit und übermäßiges Schwitzen. Diese gingen aber meist schnell zurück, sodass die Forschenden die Behandlung als gut verträglich einstufen.
„Bei der vorliegenden Datenlage ist damit zu rechnen, dass die amerikanische Arzneimittelbehörde MDMA für PTBS in 2024 zulassen wird“, sagt Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, der nicht an der Studie beteiligt war. In Europa wird es seiner Einschätzung nach jedoch noch länger dauern, bis diese Therapieform verfügbar wird, da entsprechende Studienprogramme aufgrund fehlender Finanzierung vorläufig gestoppt wurden. In der Schweiz wird MDMA in der PTBS-Therapie bereits seit acht Jahren unter strengen Auflagen erprobt.
Was ist mit Missbrauch und Abhängigkeit?
Doch was ist mit möglichem Missbrauch? „Ein nichtregulierter Konsum von MDMA kann unabhängig von einer Zulassung auftreten und kommt bereits seit Jahren vor“, meint Matthias Liechti vom Universitätsspital Basel in der Schweiz. „Es wird davon ausgegangen, dass Patienten sich bei fehlendem reguliertem medizinischem Zugang zu MDMA diese Substanz auch zwecks Selbstbehandlung beschaffen könnten. Dies kann nur durch das Angebot von medizinischem MDMA innerhalb von medizinischen Studien, qualitätskontrollierten Anwendungsprogrammen oder mittels einer Zulassung potenziell verhindert oder vermindert werden.“
Relevant ist dies auch angesichts dessen, dass Präparate vom Schwarzmarkt mit wesentlich höheren Risiken verbunden sind, da sich die Inhaltsstoffe kaum kontrollieren lassen. Der Gehalt an echtem MDMA, das üblicherweise weniger aufputschend wirkt als die Mischung in Ecstasy, ist oft nur gering. Aber könnte das in der Therapie verabreichte MDMA zur Einstiegsdroge werden? „Ob Patienten nach der Therapie privat MDMA konsumieren könnten, hängt von der Auswahl der Patienten ab“, erklärt der nicht an der Studie beteiligte Mediziner Gregor Hasler von der Universität Freiburg in der Schweiz. „Allgemein gilt, dass man, wenn man immer mehr Personen mit Suchtproblemen einschließt, genau prüfen muss, ob das Suchtverhalten zunimmt oder abnimmt. Wenn man Patienten nimmt, die gar keine Drogenerfahrung haben und gar keine Suchtprobleme, ist die Gefahr äußerst gering.“
Quelle: Jennifer Mitchell (University of California, San Francisco) et al., Nature Medicine, doi: 10.1038/s41591-023-02565-4