Einen völlig neuartigen Therapieansatz bei Rückenschmerzen haben Mediziner der Universität Bochum erfolgreich erprobt. Aus dem Blut der Patienten gewannen sie körpereigene schmerzhemmende Substanzen und spritzten diese anschließend in die betroffene Rückenregion zurück.
Rückenschmerzen sind das Volksleiden Nummer eins. Eine aktuelle Umfrage der Krankenkasse BKK hat ergeben, dass fast jeder vierte Deutsche einmal im Monat davon geplagt wird. Oft stecken Bewegungsmangel (siehe Grafik), falsche Körperhaltung, Verspannungen oder starke psychische Belastungen dahinter. In einigen schweren Fällen werden die zum Teil höllischen Schmerzen durch eine eingeklemmte Nervenwurzel ausgelöst. Das ist der Bereich, in dem ein Nervenstrang aus der Wirbelsäule austritt.
„Die Ursachen können vorgefallene Bandscheiben oder abgenutzte Wirbelgelenke sein”, sagt Cordelia Becker, die Studienleiterin an der Orthopädischen Klinik der Ruhr-Universität. Sie hat im Rahmen ihrer Untersuchung 84 Patienten mit Nervenwurzel-Schmerzen behandelt. Ihnen wurde zunächst 60 Milliliter Blut entnommen. Die dafür benutzten Spritzen waren mit zirka 200 feinen Glaskügelchen gefüllt, deren Oberfläche eine Säurebehandlung aufgeraut hatte. Die weißen Blutkörperchen interpretieren die raue Glasoberfläche als Wunde und verstärken deshalb ihre Produktion von Immun-Botenstoffen, die normalerweise den Heilungsprozess einleiten. Das Blut-Glas- Gemisch wurde für 24 Stunden bei 37 Grad Celsius bebrütet. In dieser Zeit steigerte sich vor allem die Konzentration des Anti- Interleukins-1 um mehr als das Hundertfache. Dieser Botenstoff ist der natürliche Gegenspieler des Interleukins 1, eines poten- ten Auslösers von Entzündungen, Gewebeschwellungen und Schmerzen. Das Anti-Interleukin verhindert, dass die schmerzauslösenden Signale des Interleukins an die Körperzellen weitergeleitet werden. Zum Schluss wurden die Glasperlen aus dem Blut entfernt, und die Kranken erhielten ihr Serum in drei Injektionen zurück. Zur Kontrolle dienten zwei Patientengruppen, die Cordelia Becker mit der Standardtherapie behandelte: jeweils dreimal fünf oder zehn Milligramm Kortison, gespritzt in die Nervenwurzel.
Die Behandlungen erwiesen sich in den ersten Wochen als gleichwertig. Doch nach einen halben Jahr waren nur noch etwa ein Drittel der Kortison-Patienten schmerzfrei, in der Anti-Interleukin-Gruppe aber immer noch über 50 Prozent.
Cordelia Becker will mit der neuen Methode die traditionelle Behandlung nicht generell ersetzen. Aber bei Patienten mit Osteoporose oder bei Diabetikern mit einem geschwächten Immunsystem ist Kortison nicht gut geeignet. Das Hormon kann bei ihnen die Knochenstruktur weiter schwächen oder die Abwehrkräfte noch mehr in den Keller drücken. „Für diese Patienten haben wir nun eine sehr gut wirksame und verträgliche Behandlungsoption”, sagt Becker. Dr. Ulrich Fricke
MEDINFO im April: Herz und Zähne
COMMUNITY Internet
Firmen-Informationen zum Behandlungsverfahren mit körpereigenen Anti-Interleukinen:
www.arthrexbio.de/
Rückenschmerzen-Infos:
www.neuro24.de/ ruckenschmerz.htm
Patientenleitlinien der Universität Witten/Herdecke:
www.patientenleitlinien.de
Lesen
Sabine Keller
Das Rückenbuch
Stiftung Warentest 2004, € 19,90
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