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Covid-19: Wie das Immunsystem den Verlauf beeinflusst

Gesundheit|Medizin

Covid-19: Wie das Immunsystem den Verlauf beeinflusst
Coronavirus
Coronavirus Sars-CoV-2 (Bild: Maksim Tkachenko/ iStock)

Die Infektion mit Sars-CoV-2 führt in 10 bis 20 Prozent der Fälle zu schweren Verläufen von Covid-19, andere Betroffenen bleiben dagegen sogar völlig symptomlos. Entscheidende Informationen darüber, welche Rolle die individuelle Immunantwort für diese Unterschiede spielt, haben nun mehrere Forscherteams untersucht. Demnach gibt es offenbar drei Immuntypen unter den Patienten – und diese Immuntypen sind eng mit der Schwere der Infektion verknüpft. Sie unterscheiden sich vor allem in der Art und Menge der aktivierten Abwehrzellen. Zudem unterscheiden sich Patienten mit schweren Verläufen von Beginn an darin, welche und wie viele Immunbotenstoffe freigesetzt werden.

Aus bisherigen Erfahrungen während der Corona-Pandemie ist inzwischen klar, dass bestimmte Risikofaktoren einen schweren Verlauf von Covid-198 fördern können. Dazu gehören ein hohes Alter, Vorerkrankungen wie Diabetes, Nierenprobleme, Bluthochdruck oder andere Herz-Kreislauf-Leiden, aber auch Fettleibigkeit. Doch immer wieder gibt es auch jüngere, gesunde Infizierte, die ohne diese Risikofaktoren schwer erkranken, umgekehrt verläuft Covid-19 bei manchen Menschen aus den Risikogruppen überraschend mild. Auf der Suche nach Ursachen haben Wissenschaftler bereits zwei genetische Faktoren identifiziert. Ebenfalls im Verdacht stehen schon länger Unterschiede in der Immunreaktion. Denn viele Patienten, die künstlich beatmet werden müssen oder an Covid-19 sterben, zeigen eine besonders starke Ausschüttung entzündungsfördernder Botenstoffe, was auf eine Überreaktion des Immunsystems hindeutet.

Unterschiede bei den Botenstoffen

Um den immunologischen Unterschieden auf den Grund zu gehen, haben nun zwei Forschergruppen unterschiedliche Aspekte der Immunantwort näher untersucht. Jérome Hadjadj von der Universität Paris und sein Team legten den Schwerpunkt auf Immun-Botenstoffe wie die Interferone und die Aktivität der ihre Freisetzung regulierenden Gene. Einige Interferone spielen eine entscheidende Rolle für die Bekämpfung viraler und bakterieller Erreger, andere, wie das Interferon-6, können aber auch überschießende Entzündungsreaktionen wie den sogenannten “Zytokinsturm” auslösen. Für ihre Studie analysierten die Forscher die Botenstoffkonzentrationen im Blut und die Genaktivität von 50 Covid-19-Patienten und 18 gesunden Kontrollen. Beim Vergleich von Patienten mit milden und kritischen Verläufen stellten sie tatsächlich signifikante Unterschiede fest: Bei schwerkranken Patienten fanden sich deutlich geringere Konzentrationen der sogenannten Typ-1-Interferone im Blut, zu denen auch Interferon-Alpha gehört. “Niedrige Plasmagehalte von Interferon-Alpha-2 waren signifikant mit einem erhöhten Risiko für eine Verschlimmerung zum kritischen Status korreliert”, berichten Hadjadj und sein Team.

Auch die Gene, die die Produktion dieser Botenstoffe ankurbeln, waren bei diesen schweren Verläufen deutlich weniger aktiv, wie die Analysen ergaben. Dafür war bei diesen Covid-19-Patienten die Produktion der Entzündungen fördernden Botenstoffe TNF-Alpha und Interleukin-6 deutlich hochreguliert. Nach Ansicht der Wissenschaftler ergeben sich damit klare immunologische Unterschiede zwischen eher milden und schweren Verläufen von Covid-19. Das Profil einer schweren, meist tödlich endenden Infektion ist demnach durch einen Mangel an Alpha-Interferonen gekennzeichnet und gleichzeitig eine überschießende Produktion von Interleukin-6 und TNF-Alpha. Das Interessante daran: Wir haben beobachtet, dass niedrige Plasmagehalte an Interferon-Alpha schon vor der Verschlimmerung des klinischen Zustands und dem Transfer in die Intensivstation auftraten”, so die Wissenschaftler. Dieses Wissen könnte sich demnach vielleicht dazu eignen, eine drohende Wende zu kritischen Verläufen schon frühzeitig zu erkennen.

Zellanalysen enthüllen drei Immuntypen

Das zweite Forscherteam um Divij Mathew von der University of Pennsylvania in Philadelphia legte den Schwerpunkt ihrer Studie auf die Reaktion der Abwehrzellen bei einer akuten Coronavirus-Infektion. Dafür analysierten sie, welche Zelltypen in welchen Mengen bei 125 stationär behandelten Covid-19-Patienten, bei genesenen Patienten mit nur milden Verläufen und bei gesunden Kontrollpersonen vorhanden waren. Die Analyse erfolgte mittels Durchflusszytometrie, einem Verfahren, bei dem die zellhaltige Flüssigkeit an Elektroden und Lichtsensoren vorbeigeleitet wird. Dabei zeigten sich Unterschiede in der Menge und Art einiger T-Zellen. Zu diesen Abwehrzellen gehören die infizierte Zellen tötenden CD8+-Killerzellen, aber auch CD4+-Zellen, die die Ausschüttung von Immunbotenstoffen regulieren.

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Mathew und sein Team haben bezogen auf diese Zellen drei Immuntypen identifiziert. Bei dritten Immmuntyp zeigen die Abwehrzellen kaum Reaktionen auf die Infektion. “Dieser Immuntyp 3 ist negativ mit der Erkrankungsschwere verknüpft”, so die Forscher. “Das spricht dafür, dass eine weniger robuste Immunantwort bei Covid-19 auch mit weniger schweren Verläufen verbunden ist.” Immuntyp 1 und 2 fanden sich dagegen häufig bei Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten. Typisch für den Immuntyp 1 war eine deutliche Aktivierung von CD4+-Zellen , aber ein Mangel an bestimmten CD8+-Zellen. Dieser Immuntyp war besonders häufig mit den für kritische Fälle typischen Entzündungen, Organversagen und Nierenschäden verknüpft, wie Mathew und seine Kollegen berichten. Beim Immuntyp 2 war die CD4+-Aktivierung dagegen schwächer, dafür waren bestimmte CD8+-Zellen stärker vertreten. Für diesen Immuntyp konnten die Forscher keinen Zusammenhang mit der Schwere der Krankheitssymptome feststellen, wohl aber mit dem Vorhandensein einer schon zuvor bestehenden Immunschwäche und auch einer erhöhten Sterblichkeit. Nach Ansicht der Forscher könnte die Identifizierung dieser Immuntypen möglicherweise dabei helfen, Covid-19-Erkrankte besser zu behandeln und vielleicht sogar ihren Verlauf vorherzusagen.

Quelle: Jérome Hadjadj (Université de Paris) et al., Science, doi: 10.1126/science.abc6027; Divij Mathew (University of Pennsylvania, Philadelphia) et al., Science, doi: 10.1126/science.abc8511
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