Die sogenannten Statine gehören zu den weltweit am häufigsten verwendeten Medikamenten. Mittel aus dieser Wirkstoffklasse senken den Cholesterinpegel im Blut und können dadurch zum Beispiel Herzinfarkten vorbeugen. Doch die Statine haben auch einen negativen Effekt, wie Forscher nun herausgefunden haben: Offenbar reduzieren sie das “gute” braune Fettgewebe im Körper – und fördern dadurch möglicherweise Übergewicht.
Fett ist nicht gleich Fett: Während weißes Fettgewebe an Hüfte, Gesäß, Bauch und Co Pölsterchen als Energiedepots für “schlechte Zeiten” bildet, hat das braune Fettgewebe eine ganz andere Funktion: Diese Fettzellen sind darauf spezialisiert, ihnen zur Verfügung stehende Energie schnell zu verbrennen und in Wärme umzuwandeln. Braunes Fett gilt deshalb als gutes Fett – wer anteilig mehr davon hat, nimmt schneller ab und leidet seltener an Übergewicht und Diabetes. Zum Leidwesen vieler kommen die braunen Heizkraftwerke bei Erwachsenen allerdings nur in geringfügigen Mengen und längst nicht bei jedem Menschen vor. Zu allem Überfluss kann der Braunfett-Anteil durch äußere Einflüsse sogar noch reduziert werden, wie sich nun zeigt: durch die Einnahme bestimmter Medikamente.
Weniger Braunfett
Wissenschaftler um Miroslav Balaz von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich sind für ihre Forschungsarbeiten der Frage nachgegangen, wie aus den ungeliebten weißen Fettzellen gutes Braunfett entsteht. Dabei stellten sie fest, dass für diese Umwandlung der auch für die Herstellung von Cholesterin verantwortliche Stoffwechselweg und insbesondere das Molekül Geranylgeranyl-Pyrophosphat eine zentrale Rolle spielt. Genau dieser Stoffwechselweg ist für die Wirkung der sogenannten Statine zentral – Medikamente, die weltweit vielfach verschrieben werden, um den Cholesterinspiegel im Blut zu senken und zum Beispiel das Herzinfarktrisiko zu minimieren.
Die Mittel führen im Körper unter anderem zu einer verminderten Bildung von Geranylgeranyl-Pyrophosphat. Balaz und seine Kollegen wollten daher wissen: Beeinflussen die Statine dadurch womöglich die Bildung von braunem Fettgewebe? Um das herauszufinden, werteten die Forscher zunächst Positronen-Emissions-Tomografiebilder von rund 8.500 Patienten des Universitätsspitals Zürich aus. Auf diesen Bildern konnten sie erkennen, ob die jeweiligen Personen braunes Fettgewebe besaßen. Außerdem war von den Patienten bekannt, ob sie mit Statinen behandelt werden. Das Ergebnis: Wer diese Medikamente einnahm, verfügte seltener über das gute Braunfett. So hatten in dieser Gruppe nur ein Prozent der Patienten solches Gewebe. Bei der Gruppe, die keine Statine einnahm, verfügten dagegen immerhin sechs Prozent über braunes Fettgewebe.
“Wichtige Medikamente”
Weitere Untersuchungen mit sechzehn Probanden bestätigten schließlich, dass die Statine die Aktivität des Braunfetts reduzieren. Trotz dieser Ergebnisse warnen die Wissenschaftler allerdings davor, die Medikamente nun schlecht zu reden: “Man muss auch in die Waagschale werfen, dass Statine unheimlich wichtig sind zur Prophylaxe von Herzkreislauferkrankungen. Diese Medikamente retten weltweit vielen Millionen Menschen das Leben und werden aus guten Gründen verschrieben”, betont Co-Autor Christian Wolfrum. Allerdings gibt es noch einen weiteren negativen Effekt von Statinen: Hochdosiert eingenommen erhöhen sie bei gewissen Menschen das Risiko, an Diabetes zu erkranken, wie aus anderen Studien bekannt ist. “Möglicherweise hängen diese beiden Effekte – die Verringerung von braunem Fettgewebe und das leicht erhöhte Diabetes-Risiko – zusammen”, sagt Wolfrum. Dies müsse nun aber zunächst genauer untersucht werden.
Doch selbst wenn sich ein solcher Zusammenhang bewahrheiten sollte, gehe es nicht darum, Statine zu verteufeln, so der Forscher weiter. Viel eher müsste den zugrundeliegenden Wirkmechanismen in weiteren Untersuchungen auf den Grund gegangen werden um herauszufinden, welche Patienten von den negativen Effekten betroffen sind. “Möglicherweise könnte man dann mit Ansätzen der personalisierten Medizin der Mehrheit der Patienten weiterhin Statine empfehlen, müsste jedoch einer kleinen Patientengruppe alternative Therapien nahelegen”, so das Fazit in einer Mitteilung zur Studie.
Quelle: Miroslav Balaz (Eidgenössische Technische Hochschule Zürich) et al., Cell Metabolism, doi: 10.1016/j.cmet.2018.11.017