Der Wechsel von Tag und Nacht beeinflusst unseren Körper auf vielfältige Weise. Licht und Dunkel prägen unsere innere Uhr und damit auch viele Stoffwechselprozesse. Einer davon ist die Freisetzung des Schlafhormons Melatonin. Dieser Botenstoff regelt den Schlaf-Wach-Rhythmus und auch die Freisetzung vieler weiterer Hormone im Körper. “Unser Melatonin-Spiegel wird aber nicht durch den Schlaf selbst bestimmt, wie viele Menschen glauben. Stattdessen ist es die Dunkelheit, die dafür entscheidend ist”, erklärt Seniorautor Steven Hill von der Tulane University in New Orleans. Liegt man schlaflos in einem dunklen Raum, stört dies daher den natürlichen Melatonin-Zyklus weniger, als wenn man zwar tief schläft, aber dabei in einem hell erleuchteten Raum liegt.
Dunkelheit versus Schummerlicht
Für ihre Studie untersuchten Hill und seine Kollegen, wie sich nächtliches Licht auf den Melatonin-Spiegel und auf die Tumorentwicklung von Ratten auswirkt. Dafür pflanzten sie den Ratten menschliche Brustkrebs-Tumore ein. Eine Hälfte der Tiere wurde dann in einem Tag-Nacht-Rhythmus von zwölf Stunden Licht und zwölf Stunden völliger Dunkelheit gehalten. Eine zweite Gruppe hielten die Forscher im gleichen Rhythmus, die Dunkelphase wurde jedoch von schummrigem Licht erhellt – etwa vergleichbar mit dem Lichtschimmer unter einer geschlossenen Tür, wie Hill erklärt. Zusätzlich erhielten einige der Tiere aus beiden Gruppen das Krebsmedikament Tamoxifen.
Obwohl sich beide Gruppen nur durch das leichte Schummerlicht während der Nacht unterschieden, waren die Konsequenzen erheblich: Die Tumore der bei Schummerlicht gehaltenen Ratten wuchsen 2,6 Mal schneller als die ihrer Artgenossen mit dunkler Nacht, wie die Forscher berichten. Gleichzeitig blieben ihre Melatonin-Spiegel durchgehend niedrig, statt nachts anzusteigen. Aber nicht nur das: Das Tamoxifen erwies sich bei den “beleuchteten” Ratten zudem als komplett unwirksam. Die Tumore wuchsen ungehindert weiter an. Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass schon sehr schwaches Licht in der Nacht ausreicht, um die Melatonin-Produktion zu stören. Der fehlende Botenstoff wiederum fördert das Wachstum von Krebszellen und macht sie gleichzeitig immun gegen das Tamoxifen. “Hohe Melatoninwerte in der Nacht ‘schläfern’ die Krebszellen ein, indem sie ihre Wachstum-Mechanismen abschalten”, erklärt Koautor David Blask von der Tulane University. Dadurch wird der Tumor durch das Tamoxifen angreifbar. Ist das Licht aber an und das Melatonin unterdrückt, dann bleiben die Krebszellen aktiv und damit unempfindlich gegenüber dem Krebsmittel.
Schon eine Straßenlampe vor dem Fenster könnte ausreichen
Das aber könnte bedeuten, dass auch bei Brustkrebs-Patientinnen schon geringes nächtliches Licht ausreicht, um die Wirkung der Krebstherapie mit Tamoxifen zu stören. “Obwohl unsere Daten aus Versuchen mit Ratten stammen, haben sie erhebliche Bedeutung für Brustkrebs-Patientinnen, die mit Tamoxifen behandelt werden”, sagt Hill. Noch wissen die Forscher zwar nicht genau, ab wie viel Licht dieser störende Effekt auftritt. Sie vermuten aber, dass sogar schon das bisschen Licht ausreichen könnte, das von einer Straßenlampe durch das Schlafzimmerfenster fällt. Weitere Versuche sollen die genaue Lichtmenge demnächst klären.
Ob sich dieser Störeffekt durch zusätzliche Melatonin-Gaben ausgleichen lässt, haben die Forscher ebenfalls in ihrem Rattenversuch getestet. Das Ergebnis: Tatsächlich schrumpften auch die Tumore der Schummerlicht-Ratten, wenn diese abends zusätzlich Melatonin gespritzt bekamen. Allerdings: “Das bedeutet nicht, dass Brustkrebs-Patientinnen nun losgehen und Melatonin kaufen und einnehmen sollten”, betont Hill. Denn bisher sei nicht klar, welche Dosis nötig sei und auch nicht, wann diese Gabe erfolgen muss. Eine Einnahme zur falschen Zeit könnte sogar den gesamten zirkadianen Rhythmus durcheinander bringen und den Brustkrebs dann erst recht fördern, warnen die Forscher. Sie sind aber optimistisch, dass in naher Zukunft eine Kombination aus Tamoxifen und Melatonin die Brustkrebs-Therapie verbessern könnte – wenn das optimale Timing geklärt ist. Bis dahin bleibt für Brustkrebs-Patientinnen der Rat, nächtliches Licht lieber zu meiden.