Weltweit leiden mehr als 1,2 Milliarden Menschen zwischen 30 und 79 Jahren an Bluthochdruck – fast doppelt so viele wie vor 30 Jahren. Das zeigt eine Analyse, die Studien mit Daten von weltweit über 100 Millionen Menschen ausgewertet hat. Demnach ist der Anteil der Bluthochdruck-Patienten bezogen auf die Gesamtbevölkerung zwar annähernd gleich geblieben, es gibt aber große Unterschiede zwischen den Ländern. Gerade in Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen sind die Fallzahlen gestiegen und viele Betroffene werden nicht ausreichend behandelt.
Bluthochdruck ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Schlaganfälle, verschiedene Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Nierenprobleme. Weltweit ist er für mehr als 8,5 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Zur Behandlung stehen kostengünstige Medikamente zur Verfügung, die das Risiko für Folgeerkrankungen deutlich senken. Auch eine Veränderung der Lebensweise hin zu mehr Sport und gesunder Ernährung kann den Blutdruck senken helfen. Dennoch werden viele Menschen mit zu hohem Blutdruck nicht ausreichend behandelt.
Rund jeder dritte Erwachsene hat Bluthochdruck
Die NCD Risk Factor Collaboration unter Leitung von Majid Ezzati vom Imperial College London hat nun in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO analysiert, wie sich Auftreten, Diagnose und Behandlung von Bluthochdruck seit 1990 weltweit entwickelt haben. Dazu werteten die Forscher mehr als 1.000 bevölkerungsrepräsentative Studien aus 184 Ländern aus, die insgesamt Daten von rund 104 Millionen Menschen umfassten.
Demnach hat sich die Anzahl der Menschen zwischen 30 und 79 Jahren mit Bluthochdruck seit 1990 fast verdoppelt: Bei den Frauen von 331 Millionen auf 626 Millionen, bei den Männern von 317 Millionen auf 652 Millionen. Hauptgrund für diesen Anstieg der absoluten Zahlen ist allerdings das Bevölkerungswachstum. Die altersstandardisierte Prävalenz liegt seit 30 Jahren weitgehend konstant bei rund einem Drittel der Männer und Frauen.
Große Unterschiede zwischen den Ländern
Doch auch wenn die Zahlen bei globaler Betrachtung zu stagnieren scheinen, gibt es auf Länderebene deutliche Unterschiede in der Entwicklung. „Die stabile globale Prävalenz war ein Nettoeffekt eines Rückgangs in Ländern mit hohem Einkommen und eines Anstiegs in einigen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen“, berichten die Forscher. Besonders stark gesunken sind die Fallzahlen in Kanada und Peru. 2019 litten in diesen Ländern weniger als ein Viertel der Männer und Frauen an Bluthochdruck. Auch in Deutschland sind die Zahlen zwischen 1990 und 2019 stark zurückgegangen, bei Frauen von 42,8 Prozent auf 25 Prozent, bei Männern von 53,2 Prozent auf 34,4 Prozent. In Paraguay dagegen hatte 2019 mehr als jeder zweite Erwachsene Bluthochdruck.
Obwohl Bluthochdruck leicht zu diagnostizieren und relativ einfach mit kostengünstigen Medikamenten zu behandeln ist, wusste 2019 weltweit fast die Hälfte der Menschen mit Bluthochdruck zuvor nichts von ihrer Erkrankung, und mehr als die Hälfte der Frauen (53 Prozent) und Männer (62 Prozent) mit Bluthochdruck wurden nicht behandelt. Nur bei 23 Prozent der Frauen und 18 Prozent der Männer war der Blutdruck medikamentös so eingestellt, dass er sich im Normalbereich befand.
Auch hier stellten die Forscher große Unterschiede zwischen den Ländern fest. Spitzenreiter waren Südkorea, Kanada und Island, wo 2019 mehr als 70 Prozent der Betroffenen behandelt wurden und der Blutdruck bei mehr als der Hälfte der Männer und Frauen gut eingestellt war. Ähnlich gute Quoten erreichten auch Deutschland und die USA. Dagegen wurden in Nepal, Indonesien, Ozeanien und mehreren afrikanischen Ländern südlich der Sahara weniger als ein Viertel der Frauen und ein Fünftel der Männer behandelt und unter zehn Prozent hatten einen gut eingestellten Blutdruck.
Innovative Ansätze nötig
„Trotz jahrzehntelanger medizinischer und pharmakologischer Fortschritte wurden bei der Behandlung des Bluthochdrucks weltweit nur langsame Fortschritte erzielt, und die große Mehrheit der Menschen mit Bluthochdruck bleibt unbehandelt, wobei die Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen stark benachteiligt sind“, sagt Ezzati. Andererseits gebe es in der Analyse auch Beispiele von Ländern wie Costa Rica, die Bluthochdruck auf ähnlich gutem Niveau diagnostizieren und behandeln wie Deutschland und die USA.
„Diese Erfolge zeigen, dass die Vorbeugung von Bluthochdruck und die Verbesserung seiner Erkennung, Behandlung und Kontrolle in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen möglich sind, wenn sich internationale Geldgeber und nationale Regierungen dazu verpflichten, diese wichtige Ursache für Krankheit und Tod zu bekämpfen“, so Ezzati. Wichtig sei dabei zum Beispiel, allen Menschen die Möglichkeit einer gesunden Ernährung zu geben, die reich an Obst und Gemüse ist und wenig Salz enthält. Zudem müsste die primäre Gesundheitsversorgung ausgebaut und der Zugang zu Medikamenten verbessert werden.
Clara Chow von der Universität Sydney, die nicht an der Studie beteiligt war, schreibt in einem begleitenden Kommentar: „Wir brauchen dringend innovative Ansätze, um die Belastung durch Bluthochdruck weltweit zu verringern. Angesichts der großen Unterschiede zwischen den Ländern ist es notwendig, die lokale Umsetzung zu untersuchen. Die Stagnation bei der globalen Prävalenz und die Tatsache, dass nur bei rund jedem Fünften Betroffenen weltweit der Blutdruck gut eingestellt ist, sollten als Weckruf dienen.“
Quelle: NCD Risk Factor Collaboration, Lancet, doi: 10.1016/S0140-6736(21)01330-1