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Besonders virulente Variante von HIV entdeckt

Gesundheit|Medizin

Besonders virulente Variante von HIV entdeckt
HI-Virus
HI-Virus an einer Zelle (Illustration). © nedelcupaul/ iStock

Bei über 100 Personen in den Niederlanden haben Forscher eine besonders virulente Variante von HIV identifiziert. Im Vergleich zu anderen Varianten führt die sogenannte VB-Variante unbehandelt zu einer deutlich höheren Viruslast und schädigt das Immunsystem der Betroffenen doppelt so schnell. Überdies ist sie besonders ansteckend. Genetische Analysen zeigen zahlreiche Mutationen im gesamten Genom des Virus, sodass die Forscher bislang noch nicht ausmachen können, was genau für die erhöhte Virulenz verantwortlich ist. Entstanden ist die Variante wahrscheinlich in den 1990er Jahren. Da sie sich mit gängigen HIV-Medikamenten gut in Schach halten lässt, betonen die Forscher, dass eine frühzeitige Diagnose wichtig ist.

Weltweit sind etwa 38 Millionen Menschen mit HIV infiziert. Unbehandelt sorgt das Virus für den Untergang der CD4-Immunzellen, was schließlich zum Krankheitsbild Aids führt. Dank antiretroviraler Medikamente ist es inzwischen möglich, die Vermehrung des Virus in den Zellen soweit zu unterdrücken, dass bei optimaler Therapie keine HI-Viren im Blut der Betroffenen nachweisbar sind, ihr Immunsystem normal funktioniert und es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie andere Menschen anstecken. Während in Deutschland ähnlich wie in anderen westlichen Ländern weit über 90 Prozent der Personen mit HIV-Diagnose entsprechende Medikamente nehmen, ist der Zugang zu Diagnostik und Therapie in anderen Teilen der Welt begrenzt.

Variante in den Niederlanden

Ähnlich wie beim Coronavirus Sars-CoV-2 besteht auch bei HIV das Risiko, dass durch Mutationen neue Varianten entstehen, die aggressiver, ansteckender oder resistent gegen Medikamente sind. „Deshalb ist eine kontinuierliche Überwachung der HIV-Virulenz wichtig für die globale Gesundheit“, schreibt ein Team um Chris Wymant von der University of Oxford. In einer länderübergreifenden Langzeitstudie untersuchen die Forscher daher das Virusgenom bei tausenden HIV-Infizierten aus Europa und Uganda.

Im Rahmen dieser Untersuchungen stellte Wymants Team zunächst bei 17 HIV-Positiven eine neue Variante fest, die mit einer besonders hohen Viruslast und schnellem Rückgang der CD4-Zellen einherging. 15 der 17 Personen stammten aus den Niederlanden, jeweils eine aus der Schweiz und aus Belgien. Um der Variante auf die Spur zu kommen, werteten Wymant und seine Kollegen zusätzlich Daten von über 6.700 HIV-Positiven aus den Niederlanden aus. Tatsächlich konnten sie die Variante, der sie den Namen VB-Variante (virulenter Subtyp B) gaben, bei weiteren 92 Personen identifizieren.

Mechanismus unklar

„Die Viruslast vor der Behandlung war bei diesen Personen 3,5- bis 5,5-fach erhöht und ihre CD4-Zellen nahmen doppelt so schnell ab wie bei anderen HIV-Infizierten“, berichten die Forscher. Während bei anderen Varianten von HIV erst nach etwa sechs bis sieben Jahren die Zahl der Immunzellen so weit gefallen ist, dass Aids ausbricht, schätzen die Forscher, dass dies bei der VB-Variante schon nach zwei bis drei Jahren der Fall ist, bei älteren Infizierten noch schneller. Der rapide Rückgang der CD4-Zellen ist den Forschern zufolge nicht nur auf die erhöhte Viruslast zurückzuführen, sondern auch darauf, dass jedes einzelne Virus der VB-Variante für die Zellen schädlicher ist als andere HIV-Varianten.

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Warum das der Fall ist, können die Forscher bislang noch nicht beantworten. „Der Genotyp der VB-Variante ist durch viele über das Genom verteilte Mutationen gekennzeichnet, was bedeutet, dass eine einzelne genetische Ursache für die erhöhte Virulenz aus den aktuellen Daten nicht ermittelt werden kann“, schreiben sie. Zwar haben sie unter den zahlreichen Mutationen eine identifiziert, die mit einer erhöhten Fähigkeit in Verbindung gebracht wird, CD4-Zellen zu schädigen. Allerdings kommt diese Mutation auch in anderen, bereits bekannten Varianten vor. „Das macht es unwahrscheinlich, dass diese Mutation allein der dominante Mechanismus für den von uns beobachteten Virulenzeffekt ist“, so die Forscher.

Mutationen aus den 1990ern

Die genetischen Daten legen nahe, dass die neue Variante nicht durch Rekombination von bestehenden HIV-Stämmen entstanden ist, sondern durch Neumutationen. Diese ergaben sich wahrscheinlich in den 1990er Jahren. In einer Probe von 1992 aus Amsterdam fanden die Forscher eine Virusvariante, die wahrscheinlich der Vorläufer der VB-Variante aus den neueren Proben war. Genetische Vergleiche deuten darauf hin, dass sich die VB-Variante bis Ende der 2000er Jahre schneller ausbreitete als andere HIV-Varianten. Seit 2010 ging die Verbreitung dagegen wahrscheinlich wieder zurück.

Demographisch unterschieden sich die 109 identifizierten VB-Träger nicht von anderen HIV-Positiven. Bei 82 Prozent handelte es sich um Männer, die mit Männern Geschlechtsverkehr haben, 86 Prozent wurden in Westeuropa geboren. Auch das Alter der Betroffenen und die vermutete Art der Übertragung unterschieden sich nicht. Die zeitweise beschleunigte Verbreitung der VB-Variante geht somit wahrscheinlich tatsächlich auf Eigenschaften des Virus selbst zurück und nicht auf Besonderheiten der infizierten Personen.

Früherkennung wichtig

Mutationen, die eine Resistenz gegen Medikamente verursachen, gibt es in der VB-Variante den Ergebnissen zufolge kaum. Da in den Niederlanden fast alle Infizierten behandelt werden und die VB-Variante sich offenbar ähnlich gut mit Medikamenten in Schach halten lässt wie andere Varianten, stellten die Forscher in Bezug auf den Gesundheitszustand und die Mortalität keinen Unterschied zwischen den VB-Infizierten und anderen HIV-Positiven fest. Nach Beginn der Behandlung erholte sich das Immunsystem von VB-Infizierten ähnlich schnell wie das anderer HIV-Infizierter.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation, wonach Personen, bei denen ein Risiko besteht, sich mit HIV zu infizieren, Zugang zu regelmäßigen Tests haben sollten, um eine frühzeitige Diagnose zu ermöglichen, gefolgt von einer sofortigen Behandlung“, sagt Wymants Kollege Christophe Fraser. „Dadurch wird die Zeitspanne begrenzt, in der HIV das Immunsystem eines Menschen schädigen und seine Gesundheit gefährden kann. Außerdem wird dadurch sichergestellt, dass HIV so schnell wie möglich unterdrückt wird, was eine Übertragung auf andere Personen verhindert.“

Quelle: Chris Wymant (University of Oxford) et al., Science, doi: 10.1126/science.abk1688

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