Die von Bakterien verursachte Infektionskrankheit Typhus fordert jedes Jahr rund 100.000 Menschenleben, vor allem in Südasien und Afrika. Jetzt enthüllen Genanalysen von mehr als 7.000 Erregerproben aus aller Welt, dass die Typhus-Bakterien zunehmend neue Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln. Allein in den letzten 30 Jahren wurden resistente Varianten dieser Erreger 197-mal über Ländergrenzen hinweg übertragen, Ausgangspunkt war dabei meist Indien. Als besonders besorgniserregend wertet das Forschungsteam, dass sich in den letzten Jahren mehrere Bakterien-Stämme entwickelt haben, die bei Kombination ihrer Resistenzgene alle gängigen oralen Mittel gegen Typhus unwirksam machen könnten.
Typhus ist eine vor allem in ärmeren Ländern oder unter schlechten hygienischen Bedingungen auftretende Infektionskrankheit. Ihr Erreger, Salmonella enterica serovar Typhi, wird meist über kontaminiertes Wasser oder Nahrung übertragen. Die Infektion löst anhaltend hohes Fieber, Kopf- und Bauschmerzen und Bewusstseinstrübungen aus und kann in schweren Fällen zu Darmblutungen und dem Tod führen. Jedes Jahr erkranken weltweit rund elf Millionen Menschen an Typhus, rund mehr als 100.000 Infizierte sterben daran. Am stärksten verbreitet ist Typhus in Südasien, Südostasien und Afrika südlich der Sahara. Bisher ist die Infektion durch Antibiotika gut behandelbar, allerdings breiten sich schon seit den 1970er Jahren erste gegen ältere Antibiotika resistente Stämme aus. Mit neueren Wirkstoffklassen wie den Cephalosporinen, Fluorquinolonen und Macrolid-Antibiotika ließen sie sich aber meist noch bekämpfen.
Mehrere neue Resistenzen
Wie der Stand der Resistenz-Ausbreitung bei den Typhus-Erregern weltweit ist, haben nun Kesia Esther da Silva von der Stanford University und ihre Kollegen untersucht. Für ihre Studie analysierten sie Bakterien-DNA von 3.489 zwischen 2014 und 2019 genommenen Erreger-Proben aus Südasien und zusätzlich 4.169 weitere Proben aus den letzten hundert Jahren und mehr als 70 Ländern weltweit. Die Analysen ergaben, dass gut ein Viertel der Isolate Resistenzgene gegen die “klassischen” Antibiotika aufwiesen. Der Schwerpunkt dieser multiresistenten Erreger lag größtenteils in Indien. Von dort aus wurden diese Bakterien allein seit 1990 mehr als 197-mal in andere Länder und Regionen eingeschleppt. “Die häufigsten internationalen Übertragungswege verliefen innerhalb Südasiens und von Südasien nach Südostasien, Ostafrika und das südliche Afrika”, berichtet das Team. Ihre Daten zeigen aber auch, dass der Anteil dieser klassischen Resistenzen in den Ländern Südasiens inzwischen leicht gesunken ist.
Dafür sind in den letzten Jahren mehrere neue Resistenzen beim Typhus-Erreger aufgetaucht und haben sich seither rasant ausgebreitet. Schon in den 1990ern entwickelten die Bakterien demnach Abwehrmechanismen gegen die moderneren Fluorquinolone. Diese Resistenzen machten 2010 schon 95 Prozent der Typhusproben aus Indien, Pakistan und Nepal aus, wie da Silva und ihre Kollegen berichten. Seit 2010 kommen in den Proben zunehmen Varianten mit einer Dreifach-Mutation vor, die die Bakterien noch weniger anfällig für Quinolon-Antibiotika macht. Auch gegen Azithromycin, ein häufig eingesetztes Macrolid-Antibiotikum, sind in den letzten 20 Jahren mindestens sieben Bakterienlinien mit Resistenzen entstanden. Auch gegen Cephalosporine identifizierte das Forschungsteam mehrere resistente Stämme. Wie schon bei den frühen multiresistenten Typhusbakterien haben sich auch diese neuen Linien größtenteils in Indien entwickelt.
“Ein echter Grund zur Sorge”
“Das Tempo, mit dem sich hochgradig resistente Stämme von Salmonella Typhi in den letzten Jahren entwickelt und verbreitet haben, ist ein echter Grund zur Sorge”, betont Seniorautor Jason Andrews von der Stanford University. “Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit, die Präventionsmaßnahmen auszuweiten und zu intensivieren, vor allem in den am stärksten gefährdeten Ländern.” Die Ergebnisse seien zudem ein klarer Indikator, dass Indien weiterhin einen wichtigen Hotspot für die Entstehung von Antibiotika-Resistenzen darstelle – auch hier müsse dringend mehr dagegen getan werden. “Die Tatsache, dass sich resistente Stämme des Typhusbakteriums so oft auch international ausbreiten konnten, unterstreicht zudem, dass die Kontrolle von Typhus und der Resistenzen nicht als lokales, sondern als globales Problem gesehen werden muss”, sagt Andrews.
Als besonders gravierend bewerten die Wissenschaftler die Gefahr, dass die Typhuserreger die neu erworbenen Resistenzgene untereinander austauschen und so Stämme entstehen, die sowohl gegen gängige Wirkstoffe wie gegen die neuen Quinolon- und Macrolid-Antibiotika unempfindlich sind. “Solche Organismen würden jeder Behandlung durch etablierte orale antimikrobielle Wirkstoffe ausweichen”, schreiben da Silva und ihre Kollegen. “Das wurde zu vermehrten Krankenhauseinweisungen und erhöhter Morbidität und Mortalität führen.”
Quelle: Kesia Esther da Silva (Stanford University) et al., The Lancet Microbe; doi: 10.1016/S2666-5247(22)00093-3