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Auge liefert Hinweise auf schleichende Gefäßerkrankung

Gesundheit|Medizin

Auge liefert Hinweise auf schleichende Gefäßerkrankung
Augenhintergrund
Blick auf die Adern im Auge. © Mueller et al./ Scientific Reports

Fotos vom Augenhintergrund könnten zukünftig helfen, Frühzeichen von Atherosklerose und peripherer arterieller Verschlusskrankheit zu identifizieren – einer drohenden Verstopfung der Blutgefäße in den Beinen. Forscher haben eine selbstlernende Software darauf trainiert, an den Adern des Auges winzige Gefäßveränderungen zu erkennen – noch bevor die Betroffenen erste Symptome zeigen. Das könnte dabei helfen, frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen und so Todesfälle und eine Verschlechterung der Lebensqualität zu verhindern.

Viele Menschen leiden im Alter an Atherosklerose, der häufigsten Form der Arteriosklerose. Dabei bilden sich an der Innenwand der Arterien Ablagerungen aus Fetten und Kalk. Dadurch verengen und verhärten sich die betroffenen Blutgefäße. Folgen sind unter anderem ein erhöhtes Risiko für Thrombosen, Herzinfarkte und Schlaganfälle sowie schmerzhafte Durchblutungsstörungen in den Beinen, die sogenannte periphere arterielle Verschlusskrankheit (paVK). Schon bevor sich die ersten Symptome zeigen, geht die Krankheit mit einer erhöhten Sterblichkeit einher. Diagnostiziert wird sie bislang oft erst, wenn schon Folgeschäden eingetreten sind.

Einblicke durchs Auge

Ein Team um Simon Müller vom Universitätsklinikum Bonn hat nun eine Methode entwickelt, mit der sich Atherosklerose zukünftig bereits im Frühstadium identifizieren lassen könnte: Sie haben eine selbstlernende Software darauf trainiert, Gefäßveränderungen anhand von Fotos des Augenhintergrundes zu erkennen. Der Augenhintergrund ist von zahlreichen feinen Arterien und Venen durchzogen, die die Fotorezeptoren der Netzhaut und die mit ihnen verschalteten Nervenzellen mit Blut versorgen. Durch die Pupille lassen sich diese Blutgefäße unkompliziert beobachten und fotografieren.

„Wir haben 97 Augen von Frauen und Männern fotografiert, die unter einer paVK litten“, erklärt Müllers Kollege Maximilian Wintergerst. „Bei mehr als der Hälfte von ihnen war die Krankheit noch in einem Stadium, in dem sie keine Beschwerden verursachte.“ Zusätzlich nahm das Team den Hintergrund von 34 Augen gesunder Kontrollpersonen mit der Kamera auf. Mit diesen Bildern trainierten sie ein künstliches neuronales Netzwerk – eine Software, deren Funktionsweise dem menschlichen Gehirn nachempfunden ist.

Training der Software

Eine solche Software benötigt üblicherweise mehrere zehntausend Trainingsfotos – deutlich mehr, als in der Studie zur Verfügung standen. „Wir haben daher zunächst ein Vortraining mit einer anderen Erkrankung durchgeführt, die die Gefäße im Auge angreift“, erklärt Thomas Schultz von der Universität Bonn. Dazu nutzten die Forschenden einen Datensatz von mehr als 80.000 zusätzlichen Fotos. Diese stammten von Patienten mit diabetischer Retinopathie, einer Erkrankung, bei der sich die Blutgefäße in der Netzhaut infolge von Diabetes verändern. „Der Algorithmus lernt aus ihnen gewissermaßen, worauf er besonders achten muss“, sagt Schultz. „Wir sprechen daher auch von Transfer-Lernen.“

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Auf Basis dieses Vortraining und des Trainings mit den Bildern, die die Forscher bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit aufgenommen haben, lernte die Software, auch bei unbekannten Bildern zu unterscheiden, ob sie von paVK-Patienten oder Gesunden stammten. „Gut 80 Prozent aller Betroffenen wurden korrekt identifiziert, wenn wir 20 Prozent falsch-positive Fälle in Kauf nahmen – also Gesunde, die der Algorithmus fälschlicherweise als krank klassifizierte“, erklärt Schultz. „Das ist erstaunlich, denn selbst für geschulte Augenärztinnen und -ärzte ist eine paVK anhand von Fundus-Bildern nicht zu erkennen.“

Früherkennung wichtig

In weiteren Analysen konnten die Forschenden zeigen, dass das neuronale Netz bei seiner Beurteilung vor allem auf die großen Gefäße im Augenhintergrund achtet. Für ein möglichst gutes Ergebnis benötigte das Verfahren allerdings digitale Aufnahmen mit einer ausreichend hohen Auflösung. „Viele künstliche neuronale Netze arbeiten mit sehr gering aufgelösten Fotos“, sagt Schultz. „Das reicht aus, um größere Veränderungen zu erkennen. Für unsere paVK-Klassifikation benötigen wir dagegen eine Auflösung, bei der Details der Gefäßstrukturen erkennbar bleiben.“

Mit der aktuellen Studie haben die Forscher nachgewiesen, dass ihr Ansatz grundsätzlich funktioniert. Nun wollen sie ihre Software mit weiteren Aufnahmen weiter trainieren, sodass sich ihre Leistung verbessert und sie sich langfristig womöglich tatsächlich als diagnostisches Instrument etablieren kann. „Die einzige verfügbare kausale Therapie gegen paVK ist die Behandlung von Risikofaktoren wie Rauchen, zu hohen Cholesterinwerten oder Bluthochdruck“, erklären die Forscher. Je eher solche Maßnahmen beginnen, desto wirksamer sind sie. Neue, unkomplizierte Möglichkeiten zur Früherkennung könnten somit dazu beitragen, dem Fortschreiten der Krankheit frühzeitig entgegenzuwirken.

Quelle: Simon Müller (Universitätsklinikum Bonn) et al., Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-022-05169-z

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