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Abwehrzellen graben Zugänge zum Feind

Immunsystem

Abwehrzellen graben Zugänge zum Feind

Dieses Video zeigt zwei Immunzellen mit deckungsgleichen Spuren bei der Fortbewegung in Kollagen. (Credit: Sadjadi et al. Biophysical Journal)

Das Immunsystem besitzt offenbar „Pioniere“, die nachfolgenden „Kampftruppen“ den Weg bereiten, geht aus einer Studie hervor: Manche zytotoxische T-Lymphozyten bohren demnach Tunnel in die sogenannte extrazelluläre Matrix, die Krebsgewebe umgeben kann. Durch diese Kanäle können sich anschließend weitere Abwehrzellen besonders schnell fortbewegen und somit den Feind besser erreichen. Solche Einblicke in das Verhalten der Körperpolizei könnten die Entwicklung von Krebstherapien voranbringen, sagen die Wissenschaftler.

In unserem Körper entarten ständig Zellen. Wenn das Immunsystem sie nicht effektiv genug eliminiert, können sie sich zu Tumoren entwickeln und zu einer lebensgefährlichen Krebserkrankung führen. Daher ist es wichtig, dass entartete Zellen möglichst früh erkannt und vernichtet werden. Dabei spielen die zytotoxischen T-Lymphozyten eine Schlüsselrolle. Diese Abwehrzellen patrouillieren durch die Gewebe unseres Körpers und prüfen dabei anhand bestimmter Merkmale den Zustand von Zellen, um diejenigen abzutöten, die eine Gefährdung für den Organismus darstellen. Um ihre Ziele zu finden, müssen sie durch komplexe biologische Mikroumgebungen bewegen. Diese sind meist von der extrazellulären Matrix geprägt, die Zellen umgibt und hauptsächlich aus Kollagen besteht. Bei verschiedenen Krebsarten wird das Kollagennetzwerk in der Nähe von Tumoren dicht und steif.

Immunzellen auf der Spur

„Das Bewegungs-Verhalten der zytotoxischen T-Lymphozyten sowie ihre Suchstrategien in der extrazellulären Matrix sind noch nicht gut verstanden und derzeit von großem Interesse“, sagt Heiko Rieger von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. „Zu verstehen, wie CTLs in solchen Geweben wandern, könnte zu neuen therapeutischen Strategien bei der Verhinderung von Metastasenbildung in frühen Krebsstadien führen“, so der Wissenschaftler. Um zu untersuchen, wie sich diese Immunzellen fortbewegen, haben er und seine Kollegen Nachbildungen der extrazellulären Matrix aus Rinderkollagen hergestellt. In diesem experimentellen Gewebe haben sie dann das Bewegungsverhalten von menschlichen zytotoxischen T-Lymphozyten durch mikroskopische Untersuchungen analysiert.

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Wie die Ergebnisse zunächst verdeutlichten, besitzen die Abwehrzellen drei unterschiedliche Gangarten: langsam, schnell und gemischt. Es zeichnet sich den Forschern zufolge ab, dass es nicht etwa langsamere und schnellere Exemplare gibt, sondern dass die Zellen zwischen den Gangarten wechseln können. Diese Ergebnisse führten zu der Vermutung, dass die zytotoxischen T-Lymphozyten sich bei einer speziellen Funktion langsam bewegen: wenn sie Kollagenfasern zur Seite schieben, um Kanäle in der extrazellulären Matrix zu bilden, die möglicherweise anderen T-Zellen die Bewegung im Netzwerk erleichtern. Durch anschließende Beobachtungen konnten die Forscher diese Erklärung dann untermauern. Es zeigte sich, dass wandernde T-Zellen einander auf genau derselben Bahn folgen können. Nachfolger bewegen sich dabei besonders schnell in den kanalähnlichen Hohlräumen innerhalb der Kollagenmatrix, sagen die Forscher.

Wegbereiter für die Krebsbekämpfung

Die Ergebnisse legen somit nahe, dass die körpereigene Abwehr Analogien zu militärischen Taktiken aufweist: Bevor ein Angriff im unwegsamen Gelände erfolgreich durchgeführt werden kann, stoßen zunächst die Pioniere vor und bereiten den Kampftruppen den Weg. Im Fall des Immunsystems bedeutet das: Langsam fortschreitende zytotoxische T-Lymphozyten graben Tunnel in die extrazelluläre Matrix, durch die sich dann andere Immunzellen sehr schnell bewegen können. Durch diese hindernisfreien Abkürzungen können sie dann vergleichsweise schnell Tumorzellen erreichen, um sie zu vernichten.

Den Forschern zufolge werden ihre Annahmen zusätzlich durch frühere Hinweise gestützt, wonach auch eine andere „Einheit“ des Immunsystems – die sogenannten natürlichen Killerzellen – ähnliche Bewegungsmuster aufweisen. „Dies deutet auf einen gemeinsamen Mechanismus für die Migration beider Zelltypen durch Kollagennetzwerke hin“, sagt Rieger.

Er und seine Kollegen wollen nun am Ball bleiben: Sie werden genauer untersuchen, ob die Kanäle auch tatsächlich die Fähigkeit der zytotoxischen T-Lymphozyten verbessern, in Kollagengeweben nach Zielzellen zu suchen. Zudem wollen sie den langfristigen Einfluss von T-Zellen auf die extrazelluläre Matrix analysieren. Das Team hofft, dass die Einblicke in das Bewegungsverhalten von Immunzellen im Körper zur Entwicklung neuer Ansätze im Kampf gegen Krebs beitragen könnten. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Veränderung des Gewebes einen Einfluss auf die Effizienz der Immunantwort hat, und damit Ideen für neue therapeutische Strategien in der Krebsbehandlung hervorbringen könnte“, sagt Rieger.

Quelle: Cell Press, Universität des Saarlandes, Fachartikel: Biophysical Journal, doi: 10.1016/j.bpj.2020.10.020

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